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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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ihn in den Schwitzkasten und presste ihm den Lauf der HK gegen den Hinterkopf.
    »Wenn du den Helden spielst, schieße ich dir den Kopf weg.«
    Der Mann saß da wie erstarrt. Was nicht bedeuten musste, dass er gefügig war, ja nicht einmal, dass er Angst hatte. Vielleicht wartete er nur eine passende Gelegenheit zur Gegenwehr ab. Er wollte ihm so wenige Chancen wie möglich geben. Erst seine Waffe. Dann der Rest. »Hör gut zu«, sagte er. »Nimm mit der linken Hand den Lauf deiner Waffe, mit Daumen und Zeigefinger. Leg sie langsam auf den Boden.«
    Ein Arm kam in sein Blickfeld. Eine Hand. Eine Waffe. Der Wachtposten hatte tatsächlich mit gezogener Pistole gewartet. Er warf die Waffe nachlässig weg, als wolle er sagen: Hier hast du sie, Scheißkerl. Viel Spaß damit.
    »Steh auf!«
    Der Mann gehorchte. Im Stehen war er größer als erwartet. Er hielt weiterhin seinen Hals umklammert, den Lauf der Waffe an seine Kopfhaut gedrückt. Fester als nötig. Einschüchterungstaktik.
    Ohne Vorwarnung zog er seinen Arm zurück und trat den Wachtposten mit voller Kraft in den Rücken. Der Mann stieß einen unterdrückten Schrei aus, stolperte nach vorn und schwankte. Hielt sich aber auf den Beinen.
    Rasch bückte er sich und hob die Waffe auf. Steckte sie ein. Nahm seine HK in beide Hände.
    »Hände in den Nacken. Los! Da rüber!«, zischte er.
    Der Mann zögerte. Behielt die Arme seitlich am Körper, ein wenig abgespreizt. Jahrelanges intensives Bodybuilding und weiß Gott was für Hormone, die dem Muskelaufbau noch nachgeholfen hatten.
    Der Mann starrte ihn wütend an. Der würde nicht mitspielen.
    »Los, wird’s bald!«
    Er musste den Kerl ein paar Meter von sich fernhalten. Nicht zu nahe kommen lassen. Das war einer von der ganz harten Sorte. Schon sein Hals hatte sich wie aus Beton gegossen angefühlt. Der Wachtposten verschränkte aufreizend langsam die Hände hinter dem Kopf und starrte ihn unverwandt an. Rührte sich nicht. War auf hundertachtzig. Funkelte drohend mit den Augen und wünschte ihm in unterdrückten russischen Flüchen wahrscheinlich Pest und Cholera an den Hals. Er erwiderte sein drohendes Starren. Zuckte nicht mit der Wimper. Die HK fest in der Hand. Kein Zittern, nichts.
    »Posjol ty nachuj!«, brummte der Kerl. Er war immer noch wütend, gab aber endlich klein bei. Setzte sich murrend in Bewegung. Mit der Pistole im Anschlag folgte er ihm. Drängte ihn bis in die hinterste Ecke des Geländes.
    Der Schuss klang gar nicht mal so laut. Der Regen dämpfte das Geräusch um weitere zwanzig Prozent. Der Wachtposten sank in sich zusammen. Ob ein Schuss reichte? Aber nochmals zu schießen hätte ein zu großes Risiko bedeutet.
    Er begutachtete das Resultat. Ein kleines Loch in der Lederjacke, zwischen den Schulterblättern. Er trat den Mann in die Seite. Keine Reaktion. Eine dunkle Flüssigkeit strömte aus einer Wunde in seiner Brust. Der Unterkiefer hing ihm herunter, und seine Augen starrten glasig ins Leere.
    Tot.
    Eine hastige Durchsuchung förderte ein Walkie-Talkie und ein Handy zu Tage. Er checkte das Walkie-Talkie. Zu seiner Erleichterung war es ausgeschaltet. Er warf einen Blick hinüber zur Ecke des Gebäude. Fühlte sich gehetzt.
    Hatten die da drin etwas gehört?
    Er zog die Waffe des Toten aus seiner Jackentasche und begutachtete sie. Eine Pistole, jugoslawisches Modell. Er löste mit einem Klicken das Magazin und steckte es ein. Warf die Waffe in hohem Bogen über den Zaun. Schaute wieder zum Gebäude hinüber. Niemand. Ein paar Meter von ihm entfernt, halb verborgen von überhängenden Sträuchern, stand ein Müllcontainer. Er griff den schlaffen, bleischweren Körper unter den Achseln und schleifte ihn dahinter. Warf erneut einen Blick über die Schulter. Immer noch niemand zu sehen. Also hatten sie nichts gehört. Davon konnte er inzwischen ausgehen.
    Er sprintete zur Treppe vor dem Personaleingang, die Waffe in der rechten Hand. Sprang die Stufen hinauf. Blieb vor der Tür stehen und lauschte, hörte aber nichts als das nervtötende Rauschen des Regens. Er schluckte, atmete tief ein und drückte versuchsweise gegen die Tür. Wie erwartet, war sie nicht verschlossen. War ja auch unnötig, solange dieser Kraftprotz mit schussbereiter Pistole Wache schob. Er schlüpfte hinein und duckte sich sofort. Machte sich so klein wie möglich. Ein kleines Ziel war schwerer zu treffen.
    Aber es geschah nichts.
    Das grelle Licht in der Fabrikhalle blendete ihn für einen Moment. Die Halle war riesig.

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