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Verrückt bleiben

Verrückt bleiben

Titel: Verrückt bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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unsere Helden in Bücher, aber wir werden sie nicht mehr los. Es ist ein Irrglaube, dass einen die Dämonen nicht mehr quälen, sobald man sie aufs Papier gebracht hat. Ich schleppe die Biester immer mit. Sie sind für niemanden sichtbar, nur für mich. Es ist wie in dem Film »The Sixth Sense«, wo der kleine Junge sagt: »Ich kann tote Menschen sehen.« Der Junge betritt eine leere U-Bahn, aber für ihn ist sie nicht leer, für ihn ist sie voller Geister. Nur mit dem Unterschied, dass die Helden, die wir Schriftsteller schaffen, keine toten Menschen sind, keine Geister, sondern voller Leben. Sie sind wehleidig, selbstgerecht, taktlos. In ihnen steckt genauso viel Leben, wie wir in sie hineingeschrieben haben. Wenn es zu wenig war, schlurfen sie somnambul um uns herum, war es aber zu viel, tanzen sie wie die Derwische.
    Wissen Sie noch, Siegfried und Roy und ihre weißen Königstiger? Sie waren gute Dompteure, erfahrene Tierbändiger, und dann kommt ein Tiger und beißt Roy den halben Kopf ab. Einfach so. Im Schreiben geht es ähnlich. Manchmal springt mich Paprika, die Heldin meines ersten Romans, noch heutean, sie krallt sich auf meinem Buckel fest wie der Mann aus »Sindbads Reisen«, sie faucht mir ins Ohr, beißt es blutig, bis ich Gemeinheiten sage, schreibe oder sogar mache.
    Balzac trank täglich 80 Tassen Kaffee – saß er an einer riesigen Kaffeetafel mit seinen Figuren? Der Schweizer Schriftsteller Robert Walser wanderte, bis die Füße bluteten. Lief er weg, und wenn ja, vor wem? Der winzige Gottfried Keller verliebte sich ausschließlich in große Blondinen, die ihm die kalte Schulter zeigten. Wollte er am Ende gar nicht erhört werden? Wollte er allein bleiben? Kein Mensch ist jemals richtig allein. Viele leben mit Schatten der Vergangenheit, mit heimlich Angebeteten, mit Kopfgeburten, Tagträumen, Tieren, Pflanzen, Geistern. Freunden Sie sich an mit Ihren Geistern. Treten Sie mit ihnen in den Dialog. Hören Sie ihnen zu. Sie sind andere Facetten Ihres Ichs.
    Zu 2.: Man ist letztlich immer allein – und das ist gut so. Wieso soll es eigentlich nicht gut sein, dass »der Mensch allein sei« (Bibel)? Diese Parole setzt uns unter einen gewissen Paarungszwang. Es ist die fixe Idee mit der anderen Hälfte, mit dem passenden Deckel auf dem Topf, die uns davon abhält, allein zu leben, die uns in halbherzige Beziehungen treibt, die uns glauben macht, jemanden zu brauchen, mit dem wir Mahlzeiten einnehmen und das Bett teilen müssen.
    Leben Sie allein? Nein? Mein Beileid! Oder geht es Ihnen gut damit, den Tag, den Lebensraum, den Urlaub im Kompromiss zu erkämpfen? Für mich ist das nichts. Ich bin nicht konsensfähig. Ich lebe allein, weil die Vorteile überwiegen. Manche halten mich deswegen für verschroben, denn ich lebe meine Eigenheiten aus, anstatt sie im Interesse eines reibungslosen Mehr-Personen-Ablaufes zu bekämpfen.
    Ich finde es herrlich, allein zu leben. Ich kann schlafen und sprechen, wann ich will. Ich muss niemandem zuliebe Dinge tun, ich kann ein Ferkel sein, sogar ein Schwein. Ich kann ein Sitzbad in einer Salatschüssel nehmen, tagelang schweigen oder ständig hin- und herlaufen und dabei Selbstgesprächeführen. Ich kann seltsam sein, ohne dass jemand sagt: »Ist was?« Ich kann dösen, ohne dass jemand fragt: »Was denkst du grad?« Ich kann scheitern, ohne dass jemand sagt: »Siehste!« Ich kann anarchisch essen, Unmengen hartgekochter Eier verschlingen wie Paul Newman in »Cool Hand Luke«, ohne ein schlechtes Vorbild zu sein. Ich kann das Kino verlassen, wenn mir der Film nicht gefällt. Ich kann die Reiseroute ändern, ohne dass ein Ehemann meckert. Ich kann die Dinge exzessiv betreiben, ohne Regulativ. Ich kann Ostern und Weihnachten boykottieren, den Fluchtweg freihalten, am Rand sitzen. Ich kann verkehrt herum im Bett liegen – oder quer. Ich kann mitten in der Nacht das Licht anmachen, um mir etwas aufzuschreiben oder Spaghetti zu kochen – und niemand beschwert sich.
    Im Alleinleben sammle ich Kraft für Begegnungen. Ich kann für Menschen da sein – aber nicht permanent. Keine Angst. Ich bin nicht eine von denen. Ich habe Freunde. Ich helfe ihnen, sie helfen mir. Bloß einziehen sollten sie nicht. Ich muss mich auch zurückziehen können. Was glauben Sie, warum es so viele Hobbyräume im Keller gibt? Jeder Mensch braucht Rückzugsmöglichkeiten. Und wenn er die nicht hat, zerhackt er irgendwann seine Frau.
    Leben Sie mit jemandem glücklich zusammen? Dann brauchen Sie

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