Verrückt nach Emma
Ultraschalluntersuchung erzählte, fragte Mona plötzlich: »Sag mal, wann brauchst du eigentlich die Klassenkasse zurück?«
»Welche Klassenkasse?«, fragte ich verwirrt.
»Na, die von eurer Klasse natürlich.« Mona tat so, als wäre das ganz selbstverständlich. Ich verstand kein Wort.
»Jetzt siehst du aus wie ein Huhn, wenn’s donnert.« Mona kicherte. »Ich sollte das Geld doch für dich aufbewahren, schon vergessen?«
»N…nein, natürlich nicht«, stotterte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, wovon sie redete.
»Du wolltest das Portemonnaie nicht mit zum Schwimmtraining nehmen«, half mir Mona auf die Sprünge. »Darum hast du es mir gegeben.«
Jetzt ging mir endlich ein Licht auf. Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Stimmt! Du hast recht! Daran hab ich überhaupt nicht mehr gedacht! Und ich hab die ganze Zeit geglaubt, das Geld wäre weg.« Ich runzelte die Stirn. »Mensch, warum hast du denn nichts gesagt?«
»Wollte ich ja«, sagte Mona seelenruhig. »Aber du hast mich nicht ausreden lassen. Und später hab ich es vergessen, weil ich so viel mit den Proben für den Flötenchor zu tun hatte. Na ja, und dann kam unser Streit und wir haben gar nicht mehr miteinander geredet …«
Ich konnte es immer noch nicht fassen. »Dann hat das Geld die ganze Zeit in unserem Dachzimmer gelegen?«
Mona nickte. »Na klar. Ich hab’s in meiner Kommode versteckt. Hast du echt gedacht, es wäre weg? Darum warst du also plötzlich so scharf aufs Geldverdienen! Vielleicht hättest du einfach mal mit mir reden sollen, statt alles im Alleingang zu machen.«
»Ja, vielleicht. Aber das Ganze war mir so peinlich …« Ich merkte, wie ich rot wurde.
Mona nickte. »Kann ich verstehen. Aber ein Gutes hat die Sache.«
»Und das wäre?«
»Du hast jetzt jede Menge Geld.« Mona zwinkerte mir zu. »Und kannst mich davon zum Eisessen einladen. Als kleine Wiedergutmachung sozusagen. Wie wär’s gleich morgen?«
Ich grinste. »Abgemacht.«
Dann lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück. Was für ein Tag! Heute war so viel passiert, dass es für einen ganzen Monat reichte. Ich hatte mich mit Bastian und Mona versöhnt, mit Lea gestritten und erfahren, dass Mama nicht krank, sondern schwanger war. Und jetzt war auch noch die Klassenkasse wiederaufgetaucht, und ich war plötzlich steinreich. Oder zumindest beinahe. Was sollte ich bloß mit all dem Geld machen? Wenn ich wollte, konnte ich ab sofort jeden Tag im
Venezia
einen großen Erdbeerbecher verputzen. Mit Mona zum Beispiel. Und natürlich mit Bastian. Oder mit Lea. Falls sie irgendwann nicht mehr eingeschnappt war.
Eigentlich war es gar nicht so schlecht, dass ich jetzt reich war. Wer wusste schon, wie lange ich noch Taschengeld bekam? Mit einem Baby im Haus mussten wir bestimmt furchtbar sparen. Ob Mama dann noch arbeiten konnte? Wer würde auf das Baby aufpassen, wenn sie ihre Aktmalkurse gab? Und hatte sie dann überhaupt noch Zeit für mich?
Ich seufzte. So viele Fragen! Und keine einzige Antwort in Sicht. Da fiel mir ein, was Oma immer sagt, wenn sie nicht weiterweiß: Kommt Zeit, kommt Rat. Plötzlich musste ich lächeln. Vielleicht würde ich die Antworten nicht heute finden und auch nicht morgen. Aber früher oder später würde sich alles klären, da war ich mir ganz sicher. Und wenn gar nichts mehr half, konnte ich immer noch die Sterne befragen. Denn die Sterne lügen nie.
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Maja von Vogel wurde 1973 geboren und wuchs im Emsland auf. Sie studierte Deutsch und Französisch, lebte ein Jahr in Paris und arbeitete als Lektorin in einem Kinderbuchverlag. Heute lebt Maja von Vogel als Autorin und Übersetzerin in Norddeutschland.
Mehr über Maja von Vogel findet ihr hier .
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Klopp im Dressler Verlag · Hamburg
© Dressler Verlag GmbH, Hamburg 2008
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Cover: Miriam Cordes
E-Book-Umsetzung: 2013
ISBN 978-3-86272-923-4
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