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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Brings Mutter. »Bei uns hat dieses Sofa fünfundzwanzig Jahre lang gehalten.«
    Tony Bring sah zu Boden. Er wartete einen Augenblick auf das, was nun kommen würde, doch es kam nichts mehr. Seine Mutter drehte sich um und ging zurück in die Küche. Es kam ihm so vor, als ließe sie ihre Schultern noch ein bißchen mehr hängen als sonst.
    Doch Hildred stand schnell auf und folgte seiner Mutter. »Es tut mir schrecklich leid«, sagte sie. »Bitte, glaub mir. Ich lasse es reparieren… morgen. Ich bezahle die Reparatur.«
    Das Angebot hatte keine Wirkung.
    »Du mußt schon genug bezahlen«, sagte Tony Brings Mutter mit resignierter Stimme. »Nein, mach dir deswegen kein schlechtes Gewissen. Es wurde sowieso Zeit, daß wir uns ein neues kaufen.«
    »Aber Mutter, ich weiß doch, wie du an diesem Sofa hängst.
    Ich wußte ja nicht, daß das passieren würde.«
    »Nein, natürlich nicht. Wir sind nicht so wild wie ihr jungen Leute. Wir werden eben immer gesetzter.«
    Tony Bring stand neben ihr. »Wirf das Sofa nicht weg,
    Mutter. Mach es so, wie Hildred gesagt hat. Das ist viel besser, als ein neues zu kaufen.« Und während er sich tausendmal entschuldigte, packte er Hildred am Arm und drückte zu, so fest er konnte. Bald darauf setzten sie sich zum Abendessen, und die Kerzen am Weihnachtsbaum wurden noch einmal
    angezündet, und der Tisch wurde in ein unheimliches,
    scheinheiliges Licht getaucht.
    So brachten sie diesen Tag hinter sich.
    Als sie gingen, rief Babette ihnen nach, sie werde bald kommen und sich Vanyas Bilder ansehen. Tony Bring drehte sich ein letztes Mal um und winkte. Seine Eltern standen am Geländer und sahen zum Himmel. Morgen wird’s
    wahrscheinlich regnen, dachte er.
    Als sie an dem Beerdigungsunternehmen vorbei waren, pfiff Hildred einem Taxi. Sie wechselten kein Wort, bis sie fast zu Hause waren. Dort gab Hildred plötzlich ihren Entschluß bekannt, ins Village zu gehen und Wein zu kaufen.
    »Ich komme mit«, sagte er.
    Nein, das wollte sie nicht. Sie würde gleich wieder da sein.
    Sie stritten sich noch darüber, als das Taxi vor ihrem Haus hielt.
    »Versprichst du mir, daß du in einer Stunde wieder da bist?«
    »In weniger als einer Stunde«, sagte sie.
    Das Morgengrauen war nicht mehr weit, als sie schließlich,
    »Onward Christian Soldiers« singend, die Straße
    entlanggetaumelt kamen. In der Wohnung brachen sie einfach zusammen. Vanya lag auf dem Boden, in der einen Hand eine leere Flasche, in der anderen einen Schokoladenkuchen.
    Hildred mußte wie eine Tote aufs Bett gelegt und ausgezogen werden. Betrunken lallend murmelte sie wüste
    Beschimpfungen gegen irgendeinen Schweinehund, der ihnen etwas in ihre Drinks getan hatte. »Fröhliche Weihnachten, Tony! Fröhliche Weihnachten!« rief sie. Dann begann sie zu miauen wie eine Katze, doch anschließend zeigte sie Reue und murmelte: »Es tut mir leid, daß ich das Sofa kaputtgemacht habe, wirklich. Du liebst mich nicht mehr, oder? Ich bin nicht betrunken, Lieber, ich bin krank… Irgendein schmutziger Schweinehund hat uns was in die Drinks getan…«
    Vanya ließ er auf dem Boden liegen. Er stieg über sie
    hinweg, als wäre sie ein räudiger Hund. Sie riefen nach nassen Handtüchern und Eis. Hildred wollte ein Schmerzmittel.
    Vanya wollte Krapfen und Kaffee.
    »Möchtet ihr nicht lieber ein paar schöne Bergaustern?«
    fragte er höhnisch.
    »Bitte, mach Feuer«, stöhnte Hildred mit leiser, gequälter Stimme. »Ich bin krank… Ich sag dir doch, daß ich nicht betrunken bin.«
    »Allez à la gare St. Lazare… je suis très pressé.«
    »Ich friere… Bitte, mach Feuer!«
    »Armes Mädchen… Du möchtest, daß ich ein schönes,
    warmes Feuer mache?«
    »Bitte, Tony, bitte…«
    »Warte«, sagte er. »Gleich wird es dir wärmer.« Er ging zu der Kiste, in der er seine Manuskripte aufbewahrte, leerte den Inhalt in den Kamin und hielt ein Streichholz daran. Als die Flamme am Papier emporleckte, erfüllte ein eigenartiges Leuchten das Zimmer; die Wände zuckten, und die Gestalten begannen zu tanzen.
    »Besser?« fragte er, trat auf die Kiste und machte sie zu Kleinholz. »Ihr habt doch wohl nicht gedacht, ich lasse euch erfrieren.« Er nahm einen Stuhl nach dem anderen und zerlegte sie ebenfalls.
    »Gut!« rief Hildred. »Verbrenn sie, verbrenn alles… Morgen kaufen wir uns neue Möbel.«
    Knisternd und brüllend schlugen die Flammen hinauf in den Schornstein. »Wunderbar, wunderbar«, stöhnte Hildred. »Du bist so gut zu uns, Tony.

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