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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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mit Ach und Krach zusammenhaltende Mittelpunkt schwebte noch in dem verwüsteten Raum umher.
     
    Was sie tun sollte, erkannte Lauren plötzlich, war, einen Detektiv zu beauftragen. Sie nickte, erstaunt, daß sie nicht schon früher darauf gekommen war. Bei einem so kleinen Auftrag könnten die Kosten dafür nicht allzu hoch sein, es ging ja nur darum, den kleinen rothaarigen Mann zu finden. Wieviel war es ihr wert, nicht eine Gegend nach der anderen abklappern zu müssen, dabei ihren Job zu vernachlässigen und sich womöglich noch eine Lungenentzündung zu holen? Fünfzig Dollar? Hundert? Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, dann nickte sie entschlossen. Sogar hundert Dollar wären noch okay, wenn er nur gefunden würde, oder wenigstens seine nächsten Verwandten, damit sie erfahren konnten, was passiert war. Sie versuchte sich vorzustellen, wie seine Frau auf seine Schritte lauschte, sehnsüchtig darauf wartete, daß das Telefon klingelte, alle Bekannten anrief und sie anflehte, es ihr doch zu sagen, es ihr nur bitte zu sagen. Nun, nachdem sie diesen Entschluß gefaßt hatte, fand sie, daß sie nach Hause gehen konnte. Sie sah eine Stelle, wo sie wenden konnte, und trat kräftig auf die Bremse, um in eine Einfahrt einzubiegen, und dort sah sie zum erstenmal – zum erstenmal bewußt – den grünen Dodge, der ihr seit zweieinhalb Stunden folgte. Gesehen hatte sie ihn schon vorher, doch sie hatte sich nichts dabei gedacht, doch jetzt sah sie ihn und wußte, daß er sie verfolgte, denn sie war so sehr im Zickzack gefahren, und immer war er wieder aufgetaucht. Sie wußte nicht, daß es ein Dodge war, denn sie kannte sich mit Autotypen nicht besonders gut aus und sie sahen für sie alle mehr oder weniger gleich aus, aber irgend etwas in ihr erkannte diesen speziellen Wagen. Er überholte sie, wurde langsamer. Ein Mann saß darin, der starr geradeaus sah, nicht etwa zu ihr herüber. Sobald die Fahrbahn frei war, machte sie eine Kehrtwendung und fuhr, so schnell sie konnte, in entgegengesetzter Richtung davon, bog an der nächsten Ecke ab, und an der nächsten wieder und an der nächsten wieder, bis sie schließlich sicher war, daß sie den grünen Wagen abgehängt hatte.
    Als der Fahrer des Wagens Bericht erstattete, sagte er mit tiefster Überzeugung: »Sie ist wirklich gut. Sie trödelte herum, bog ab, wo es nicht erlaubt war, setzte an, um in Einbahnstraßen zu wenden, überlegte es sich anders, betätigte höchstens bei jedem zweiten Mal den Blinker, tat so, als ob sie sich total verfahren hätte, doch als sie beschlossen hatte, mich abzuschütteln, da wußte sie sehr genau, was sie tat. Sie bog in eine breite Allee ein, und zwar genau zu einem Zeitpunkt, da der Verkehr am stärksten war, benahm sich wie eine echte Touristin, doch sie kannte bereits eine Stelle zum Wenden. Das war klar. Sie zog, ohne zu blinken, auf die andere Seite, bremste nicht einmal ab, und ich konnte nichts mehr tun. Ich wäre nicht ganz dicht gewesen, wenn ich auch an dieser Stelle gewendet hätte. Sie ist wirklich gut.«
     
    Lauren bremste ab, als sie beim Pugetsund herauskam. Sie hatte gedacht, sie würde beim See herauskommen, einige Meilen weiter östlich. Erschöpft hielt sie Ausschau nach einem Restaurant. Sie hatte nichts zu Mittag gegessen, und es war schon nach fünf; der Verkehr war so dicht, daß es sinnlos war, in den nächsten zwei Stunden zu versuchen, nach Hause zu kommen. Doch jetzt wußte sie immerhin mehr oder weniger, wo sie war und wie sie ins Büroviertel kam. Sie müßte irgendwie auf die I-5 kommen und dann nach Süden fahren, das war ziemlich einfach, denn die Strecke war ausgeschildert; und beim Firmenzeichen von CaCo müßte sie abfahren, das war auch ein guter Anhaltspunkt. Und von dort aus kannte sie den Weg nach Hause.
     
    Als sein Mittelpunkt so stark war, daß er einen Willen haben konnte, schwebte Corky in die Leben seiner Freunde und wieder hinaus, auf der Suche nach einer Stelle, wo er vor Anker gehen konnte, wo er die weitverstreuten Teilchen seiner Person aufspulen konnte. Wenn es erst eine kleine Dichte gäbe, würden die anderen Teile davon angezogen, und das machte ihm Hoffnung, daß er wieder echte Substanz gewinnen könnte. Er schaute bei Jerome und Wendy vorbei und machte schnell einen Rückzieher, als er sie im Bett vorfand. Nicht, daß er keine voyeuristischen Neigungen gehabt hätte; es war nur so, daß diese spezielle Betätigung für ein vernunftbegabtes herumschwebendes Teilchen

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