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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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Schwierigkeiten, werden aktiv, erledigen die Dinge selbständig. Große Mädchen lehnen sich nicht einfach zurück und warten, daß jemand die Dinge für sie erledigt. Die Kehle dieses großen Mädchens zog sich zusammen in einem stummen Aufschrei aus Wut über Peter, und ihre Augen brannten von den unvergossenen Tränen der Enttäuschung. Und das Schlimmste war, daß jetzt, nachdem diese geheime Angst, die tief in einer Höhle in ihr verborgen gewesen war, hervorgekrochen kam, sie deren Wachstum nicht mehr beherrschen konnte. Sie gedieh und blühte und schwoll an; sie schwappte schäumend, brüllend und zischend über sie, dann wich sie zurück und ließ sie in tiefster Verzweiflung zurück. Wahnsinnig. Verrückt. Unzurechnungsfähig. Bekloppt. Behämmert. Ausgerastet. Plemplem. Verblödet. Schizophren.
    »Und dann, Peter, du Schwachkopf?« murmelte sie. Wenn es so weit käme, daß sie sich ein Beil besorgte oder eine Bombe oder auch nur eine nette kleine Pistole, dann wäre Peter der erste, das schwor sie sich. Konnte man eine Bombe irgendwo kaufen?
    Sie ertappte sich dabei, daß sie viel zu schnell fuhr, ihre Fingerknöchel waren weiß und ihr Magen verknotet, während sie auf die nächste Woge von Angst wartete, und sie wußte, daß sie sich zu einem neuen Angriff aufschaukelte. Und sie dachte über all die vielen verschiedenen Arten nach, wie sie Peter umbringen könnte, um ihn dann wiederzubeleben, um ihn dann wieder umzubringen. Immer wieder und wieder.
     
    Ein kleines Mädchen, das fasziniert zuschaut, wie eine Katze Junge bekommt; eine Frau, die das kleine Mädchen beobachtet, mit einer unbestimmten Traurigkeit. Ein Mann auf einem Fahrrad, der hofft, daß ihn nur ja niemand anhält, nicht gerade jetzt, wo die Brieftasche des großen Mannes in der Tasche seiner Jeans steckte, nicht bevor er Gelegenheit hätte, sie zu leeren und wegzuwerfen. Eine Frau, die auf den Bus wartet, mit schmerzenden Füßen, die den ganzen Tag auf Beton gestanden hatten, von fünf Jugendlichen als Opfer ausersehen, in Erwartung des Busses und des Überfalls, wohl wissend, daß sie nicht weglaufen konnte, denn sie waren jung, schnell und zu allem entschlossen. Vielleicht könnte sie ihren Geldbeutel einfach auf die Straße werfen, ihn ihnen freiwillig geben, in dem bitteren Bewußtsein, daß sie sie trotzdem niederschlagen würden. Schwebend im Raum, während sich Tränen bildeten. So eine schöne Welt, so wunderschön. Roter Staub weht von Afrika her, hüllt die Küste ein, hüllt das Meer ein, auf dem Weg nach Spanien. Eine Marslandschaft. Eine Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand, lächelnd, während ein Zug langsam durchs Dorf fährt. Sie hat noch drei Vorderzähne, doch das Kind ist gesund und freut sich über den Zug und die freundlichen Leute darin, die ihm zuwinken. Der Engländer, der denkt, daß sie wahrscheinlich Läuse und Flöhe haben, und Gott sei Dank sind sie da draußen und nicht hier drin. Und die Frau bei ihm, die findet, daß er jeden Tag häßlicher wird, in diesem Urlaub, der ein perfekter Urlaub hätte werden sollen. Das Mädchen, das mit einem älteren Collegedozenten flirtet, und der Mann, der Angst vor dem Mädchen hat, weil es so erfahren und klug und schön aussieht, daß er genau weiß, er kann sie niemals besitzen. In einem Flugzeug in zehntausend Metern Höhe, in einem Unterseeboot, in einem Bus, einem Zug, in einem Auto, zu Fuß unterwegs, rennend, sitzend. Im Bett, an der Schwelle zum Schlaf. Auf einem Feld an der Schwelle zum Frieden des Todes, während der Schmerz und der Schreck nachlassen und das Blut um den Beinstumpf herum eine Pfütze bildet. Der Chirurg, der die erste rote Linie auf blasse weiße Haut zeichnet; und der Patient, der trotz seines komatösen Dämmerzustands weiß, daß Gewalt stattfindet. Lehrer und Schüler, Pfarrer und Heilsuchender, Richter, Geschworene, Verteidiger, Staatsanwalt, Zeuge. Überall und nirgends, im Wesen von jedermann, Teil von niemandem. Alles fühlend, nichts empfindend.
    Ein alter Mann, der von einem ländlichen Briefkasten zu einem kleinen Haus schlurft. Matschige Felder mit Wasserrinnsalen, die wie Miniaturflüsse unter einer kalten Sonne glitzern. Auf einer Seite Nadelbäume, die in allzu regelmäßigen Abständen stehen, so regelmäßig, daß sie von einer bestimmten Stelle aussahen wie ein einziger Baum. Er versuchte, nicht zu den Bäumen hinzusehen, empfand sie als Gefahr, eine Bedrohung, die er nicht in Worten hätte ausdrücken können.
    Am

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