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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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wenn sie ihn sah; das wäre er an ihrer Stelle auch. In ihrem Kleiderschrank fand er ein Strandkleid aus Frottierstoff und zog es an. Jetzt war er bereit. Er blieb vor dem Spiegel in ihrem Schlafzimmer stehen und mußte zugeben, daß er so ganz bereit auch wieder nicht war. Er konzentrierte sich angestrengt, bis das Kleid mit etwas gefüllt war, ein Gesicht daraus hervorkam und Füße unten herausschauten. Dann hörte er, wie sich der Schlüssel im Türschloß drehte, und holte tief Luft.

 
ELFTES KAPITEL
     
     
    Corky merkte, daß irgend etwas nicht stimmte, während er horchte, wie Lauren die Wohnungstür aufschloß. Er war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich einen Körper zu schaffen und ihn zu bekleiden, daß er bis dahin die Anzeichen nicht wahrgenommen hatte, doch jetzt spürte er eine unbestimmte Spannung und wußte, daß in dem Apartment etwas verändert war. Er lockerte den Muskel ein klein wenig und machte sich auf die Suche. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis er fand, was er gesucht hatte. Auf dem obersten Regalbrett, hinter Laurens Psychologie-Lehrbüchern vom College, lag ein schlanker, bleistiftförmiger silberner Gegenstand. Er gab sich genügend körperliche Substanz, um ihn in die Hand zu nehmen und das Strandkleid wieder anzuziehen. Die übrigen Teilchen ließ er in einem weiteren Umkreis herumschweben, dann in einem noch weiteren.
    Lauren betrat die Wohnung, streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus und zuckte zurück. Im Schlafzimmer brannten schon die Lampen, ebenso im Wohnzimmer. Sie holte tief Luft und sah sich nach etwas um, das sie als Waffe benutzen könnte, dann zückte sie den Schirm, den sie kurz zuvor gekauft hatte. Leise schlich sie an der Wand des Flurs entlang, der ihre Wohnung in zwei Hälften unterteilte.
    Sie schloß einen Moment lang die Augen, als sie ihr Strandkleid ohne jemanden darin in der Luft hängen sah. Ein silberner Gegenstand schwebte vor ihren Augen herum, drehte sich in verschiedene Richtungen, als ob die unsichtbare Person in ihrem Kleid ihn untersuchen würde. Ein heftiges Gefühl von Empörung und Zorn wallte plötzlich in ihr auf, und sie hob den Schirm.
    Corky hörte sie und achtete im Moment nicht darauf. Da waren sie: zwei Männer im Erdgeschoß des Gebäudes, in einem kleinen Raum mit elektronischer Ausstattung; einer davon war Morris Pitts, der andere ein Unbekannter. Hörten sie Lauren ab? Warum? Er wandte sich genau in dem Augenblick zu ihr um, als sie mit dem Schirm ausholte, so kräftig sie konnte.
    »Und komm ja nicht wieder!« brüllte Lauren, als der Schirm gegen das Kleid sauste und es durch die Luft schleuderte. Der silberne Gegenstand fiel zu Boden. Corky war verschwunden, bevor der Schirm seinen Schwung verlor. Als Lauren brüllte, war er bereits über die ganze Erdoberfläche verstreut und holte tief Luft.
    Wütend ließ sie den Schirm sinken, um den sich jetzt ihr Strandkleid gewickelt hatte, dann ging sie mit energischen Schritten in die Küche, wo sie ihre Tasche und das tiefgefrorene Abendessen auf den Tisch knallte. Sie riß sich den Regenmantel vom Leib und schleuderte ihn irgendwohin, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und ging dann erst wieder zurück ins Wohnzimmer, um sich den silbernen Gegenstand genauer anzusehen. Eine Bombe? Sie erschauderte und wagte nicht, ihn zu berühren. Ein Abhörgerät? Langsam nickte sie, ohne es bis jetzt berührt zu haben. Warum? Es hatte irgend etwas mit diesem entsetzlichen Menschen zu tun, das wußte sie.
    Mit einemmal ließ sie sich hart zu Boden plumpsen und blieb neben dem Abhörgerät sitzen. Sie hatte gesehen, wie es in der Luft gehangen hatte; sie hatte ihr Kleid in der Luft hängen sehen. Sie schüttelte den Kopf, wollte es nicht wahrhaben, doch sie hatte es gesehen. Jemand quälte sie absichtlich, dachte sie nun, jemand versuchte, sie so weit zu bringen, daß sie glaubte, unmögliche Dinge zu sehen; daß sie sich einbildete, wahnsinnig zu werden. Warum? Seit jenem Tag, an dem sie den abscheulichen Mann vor ihren Augen hatte verschwinden sehen, dachte sie, während sie weiter den Gegenstand anstarrte, ohne ihn noch wahrzunehmen, hatten sie ihr das Leben schwergemacht. Sie versuchten zu erreichen, daß sie niemandem etwas davon sagte; das mußte der Grund sein. Wenn sie wahnsinnig wäre, könnte sie niemandem mehr etwas davon sagen. Wie in diesem Film, fiel ihr ein, in dem ein Mann versucht, seine Frau so weit zu bringen, daß sie glaubt, verrückt zu sein, um sie dann

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