Verrückte Zeit
Dann stellte er den Wagen ebenfalls ab und ging zu Fuß in Richtung der Telefonzellen. Er mußte Bericht erstatten und wollte sich beschweren, daß man ihn in einem so schweren Fall ganz allein ließ.
Sobald der Agent sein Auto verlassen hatte, schwebte Corky hinein, wo er sich gerade so körperhaft machte, um den Rückwärtsgang einzulegen und die Handbremse zu lösen.
»Hören Sie, Peter«, sagte Lauren gerade, »ich muß unbedingt ein paar Tage frei haben. Ich … mir geht es nicht gut. Der Schock war einfach zu groß, den ich durch das Verschwinden des Mannes vor meinen Augen hatte. Sagen Sie einfach meinen Patienten, sie sollen ihre fünfzig Minuten lang allein in meinem Büro sitzen. Das tut ihnen genauso gut, als wenn ich dabei wäre.« Ihre Stimme wurde während des Sprechens immer schriller, und sie ließ Peter nicht zu Wort kommen, bis sie ausgeredet hatte.
»Lauren, Lauren. Mein Gott, welcher geniale Geistesblitz! Meine liebe Lauren, Sie sind ein Genie! Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, so etwas zu tun, niemals in meinem Leben. Und Sie …«
Sie legte auf, starrte das Telefon an, dann verließ sie die Zelle. Sie hörte das Schreien auf der anderen Seite der Zapfsäulen, beachtete es jedoch nicht. »He, Mister, Ihr Wagen rollt!« Sie schenkte dem Aufprall keine Beachtung, und auch nicht dem darauffolgenden Durcheinander und der Aufregung. Sie setzte sich hinter das Steuer ihres Wagens, ließ den Motor an und fädelte sich wieder in den Verkehr auf der Schnellstraße ein.
»Die Regierung ist bestimmt gut versichert«, knurrte Corky vor sich hin, als er daran dachte, wie der Dodge so überaus sachte in einen sehr großen Lastwagen mit einem sehr großen und zornigen Fahrer gerollt war.
Lauren kniff die Lippen zusammen, um den Seufzer zu unterdrücken, den sie sich beim Ertönen seiner Stimme nicht erlauben wollte. Sie sah starr geradeaus und umfaßte mit beiden Händen fest das Lenkrad.
»Lauren, es ist alles in Ordnung«, sagte er leise. »Beide Autos sind weg. Jetzt folgt uns niemand. Wir können miteinander sprechen. Okay?«
Sie fuhr schneller, und er lehnte sich voller Unbehagen zurück. Selbstmordabsichten? Das hätte er bisher nicht für möglich gehalten, doch jetzt war er sich nicht mehr ganz so sicher. Nachdem eine Minute vergangen war, verringerte sie die Geschwindigkeit ein wenig, und auch er entspannte sich etwas. Aber er mußte mit ihr reden, das war ihm klar, mußte ihr eröffnen, daß er da war, müßte mit ihr planen, wohin sie fuhren. Er räusperte sich. »Sind Sie in Ordnung?«
»Na klar«, sagte sie mit schriller Stimme. »Ich habe einen Nervenzusammenbruch. Peter nimmt ihn nicht ernst. Agenten verfolgen mich. Ich weiß nicht warum. Ich weiß nicht, wohin ich fahre. Und ich unterhalte mich mit meiner eigenen Halluzination. Mir geht es gut, mir geht es wirklich gut.«
»Ich bin keine Halluzination«, brummte er. »Ich würde mich sichtbar machen, um es zu beweisen, aber anscheinend bin ich unbekleidet. Sie haben Ihr Strandkleid leider nicht mitgenommen.« Sie fuhr wieder achtzig Meilen in der Stunde. »Sie werden eine Anzeige bekommen, wenn Sie uns nicht vorher beide umbringen«, sagte er ruhig und vernünftig.
Tränen machten ihre Sicht verschwommen, und sie trat fest auf die Bremse. Ein Lastwagen hinter ihr ließ seine Mehrklanghupe ertönen, dann zog er heraus, um sie zu überholen.
»Wissen Sie wirklich nicht, wohin wir fahren?« fragte Corky. »Ich kenne mich in dieser Gegend aus. Fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt raus. Etwa eine oder zwei Meilen weiter kommt ein Einkaufszentrum, und wir brauchen ein paar Sachen.«
»O Gott«, stöhnte sie. Aber da das genau das war, was sie von Anfang an vorgehabt hatte, hielt sie Ausschau nach der Ausfahrt.
»Mein Bewußtsein«, sagte sie laut vor sich hin. »Oder mein Über-Ich. Mein Unbewußtes. Die rechte Gehirnhälfte.«
»Wovon sprechen Sie?«
»Die Stimme Gottes. Des Teufels. Der Ausbruch einer lange Zeit unterdrückten, gespaltenen Persönlichkeit. Schizophrenie, Verfolgungswahn.«
»Oh«, sagte er, da er endlich verstand. »Nichts von alledem. Dort ist die Ausfahrt. Biegen Sie auf der Straße nach rechts ab, zum Einkaufszentrum.«
Sie gehorchte widerspruchslos. Sie hatte diese Abzweigungen auf der Karte gesehen, sagte sie sich, und sie waren ihr einfach vorübergehend entfallen. Das Geschäft, zu dem er sie führte, war ein Kaufhaus mit umfassendem Angebot, wo sie am Anfang noch gegen ihren eigenwilligen
Weitere Kostenlose Bücher