Verscharrt: Thriller (German Edition)
» Der Name ist wichtig. «
O’Hara fragt sich, ob das stimmt. Oder ob nicht jeder Bandname ein bisschen bescheuert klingt, bis man sich in die Musik verknallt.
» Also, du hast eine Band gegründet, und ihr nennt euch The Flat Screens. Ist es das? «
» Ja… und außerdem zieh ich nach Bushwick. «
» Wirklich? Willst du nicht die Schule fertig machen? Ist nur noch ein Jahr bis zum Abschluss. «
» Die Entscheidung steht. Ich lass es drauf ankommen. Naja,… und da ist noch was. «
» Was? «
» Kannst du mir dreitausend Dollar leihen? «
KAPITEL 2
Eine Stunde später, um 8:07 Uhr, startet O’Hara mit einem Wodka Grapefruit in einer Downtown-Kneipe namens Milano’s noch mal neu in den Tag. Nachdem ihr die Boulevardpresse vor sechs Monaten fünfzehn Minuten Berühmtheit geschenkt hatte, weil es ihr gelungen war, den Mordfall an der Studentin Francesca Pena von der NYU aufzuklären, wurde O’Hara in die Mordkommission versetzt. Homicide South oder auch Homicide Soft, wie sie oft genannt wird, ist in der East Twenty-First Nummer 13 untergebracht. Das Milano’s befindet sich in einem Wohnhaus auf der East Houston, zwischen Mulberry und Mott Street, und ist nicht nur eine der wenigen Bars, die so früh bereits geöffnet haben, sondern auch eine, in der ein sehr angenehmes Maß an Diskretion und Behaglichkeit gepflegt wird. Außerdem liegt sie weder zu nah noch zu weit von ihrer neuen Wache entfernt.
Obwohl O’Hara zum ersten Mal hier ist, weiß sie bereits vom Hörensagen, wie eng es im Milano’s ist. Als sie sich auf ihrem Hocker zurücklehnt, berührt sie mit der Schulter schon die Wand. Hier ist es so eng, denkt O’Hara, dass ein Besoffener nicht mal hinfallen könnte, wenn er wollte, jedenfalls nicht, bevor er wieder auf der Straße steht, wo sich dann jemand anders, zum Beispiel ein Polizist, mit dem Problem herumschlagen müsste. Der Laden ist aber viel mehr als nur kuschelig. O’Hara mag die angenehme Beleuchtung und die herrlich entrückte Atmosphäre abseits der auf der Houston vorbeieilenden Fußgänger und auch abseits der Zeit. Statt der Nachrichten läuft im Fernsehen ein alter Schwarzweißfilm auf Turner Classic Movies, und unzusammenhängende Fetzen eines sechzig Jahre alten Dialogs rieseln von oben herab. An der Kasse lehnt ein zwanzig Pfund schweres Wörterbuch, ein die Hirnwindungen anregendes Relikt aus einer Zeit, als man noch nicht jeden orthografischen oder geografischen Disput mit dem iPhone beilegen konnte.
Als sie sich weiter umsieht, fällt ihr auf, dass jeder Quadratzentimeter mit altem Kram vollgestellt ist, und jeder Quadratzentimeter mit altem Kram, also auch die Brezeln und die Chips, ist mit einer schmierigen Schicht bedeckt. Obwohl O’Hara den Fotos von JFK , Sinatra und irgendwelchen alten Yankees in Nadelstreifen nichts Besonderes abgewinnen kann und ganz gewiss auch ohne das kleine Feuerwehrauto zu Ehren der Helden von 9/11 auf der Kasse ausgekommen wäre, weiß sie doch die lässige Tüchtigkeit der hübschen brünetten Barfrau zu schätzen und wertet es als gutes Omen, dass diese ein AC / DC -T-Shirt trägt. O’Hara ist nämlich der Ansicht, dass AC / DC nicht nur die rockigste Band aller Zeiten ist, sondern auch verantwortlich für eins der besten T-Shirts.
In der Bar befinden sich noch zwei weitere Gäste, die beide schon Schlange standen, als O’Hara eintraf und das Milano’s geöffnet wurde. Zu ihrer Linken sitzt eine attraktive übergewichtige Frau: Tasche, Kostüm, Haare und Make-up tadellos. Im Grunde ist alles an ihr perfekt, abgesehen von der Tatsache, dass sie um acht Uhr morgens in einer Bar sitzt. Zu O’Haras Rechten und direkt auf der anderen Seite des Stapels aus jeweils einem ungelesenen Exemplar der Times, der Post und der News sitzt ein extravagant gekleideter Mann mittleren Alters, die Louis-Vuitton-Herrentasche auf dem Tresen neben der Whiskey-Cola. O’Hara schätzt die Frau auf mittlere Führungsebene, den Mann hält sie für einen recht erfolgreichen Dealer, wobei sie darauf bestehen würde, dass ihre Einschätzung nicht ausschließlich auf ethnischer Typisierung beruht. Außerdem fällt ihr auf, dass er von ihnen dreien der Einzige ist, der nach der Arbeit trinkt und nicht davor.
O’Hara nimmt noch einen Schluck und denkt, dass jemand, der seinen Jungen Axl Rose O’Hara nennt, sich nicht wundern darf, wenn dieser die Schule schmeißt und eine Band gründet. Erst recht nicht, wenn seine Mutter ihm » Sweet Child of Mine « oder
Weitere Kostenlose Bücher