Verschleppt
übrig. Wir werden alles tun, um Noah nach Hause zu holen. Das verspreche ich Ihnen.“ Seine Stimme war vollkommen ruhig, sein Ton verriet nichts von der Sorge, die er gewiss empfand. Sara fixierte ihn, sein Gesicht war ein Netz aus Falten. Sie zog ihren Arm weg. „Ich verstehe Sie, Chief. Aber Sie müssen auch mich verstehen. Ich werde mich nicht raushalten. Ich kann mich nicht raushalten. Es geht hier um meinen Sohn.“ Ihr Chef blickte sie eindringlich an, er nahm seine Brille ab und legte sie auf den Tisch. Ohne sie sah er noch erschöpfter aus. Er rieb sich die Augen und atmete tief ein. „Meine Pflicht habe ich erledigt. Ob Sie sich an meine Anweisung halten, liegt nicht in meiner Hand.“ Er legte ihr den Untersuchungsbericht von letzter Nacht hin. „Bitte denken Sie nur daran, Ihre Dienstwaffe und -marke im Revier abzugeben.“ Er setzte seine Brille wieder auf, nickte ihr zu und ging zur Haustür.
Kelly kam zurück in den Raum. „Was war das denn?“ Sie schaute Sara verwundert an. „Das war mein Chef. Doch nicht so ein Arschloch, wie ich immer dachte.“ Mehr sagte Sara nicht. Sie trank von ihrem Tee und blickte dabei auf den Untersuchungsbericht, der vor ihr lag. Sie las alles intensiv durch. Als sie fertig war, war ihr klar, dass sie mittlerweile nach einem Mörder suchten. Er hatte gemordet. Sie holte tief Luft und versuchte, das Geschehene möglichst analytisch zu betrachten. Nur so konnte sie Noah helfen. Sie musste ihre Gefühle beiseiteschieben. Sara versuchte Cruz anzurufen, er ging aber nicht dran. Kelly kam zu ihr an den Tisch, auch sie hielt eine Tasse Tee in der Hand. „Und, was nun?, fragte ihre Freundin vorsichtig. „Keine Ahnung. Kelly, ich habe keine Ahnung.“ Ihr Blick sagte alles. Sara hielt inne. „Das alles erinnert mich an einen Fall von meinen Dad. Es ist so viele Jahre her, er hat nie viel über diesen Fall gesprochen.“ Kelly hörte ihr aufmerksam zu. „Es war auch eine Entführung. Ein kleiner Junge. Baker hieß er. Joshua Baker, gerade mal zwei oder drei Jahre war er damals. Er wurde nie gefunden. Mein Vater ist fast verrückt geworden.“ Kelly überlegte. „Stimmt, der Fall war in allen Medien, richtig? Das muss aber mittlerweile über 20 Jahre her sein. Warum hast du mir nie davon erzählt? Also, dass dein Vater den Fall bearbeitete?“ Sara holte tief Luft. „Es ist so lange her. Ich war damals noch ein Kind. Ich habe so lange nicht mehr an den Fall gedacht. Es war der einzige Fall, den mein Vater nie aufklären konnte, er hat Jahre nach ihm gesucht. Dann ist Dad plötzlich gestorben. Ich habe das Ganze irgendwie verdrängt.“ Kelly dachte nach. „Baker? War der Name letztes Jahr nicht wieder in den Medien?“ Sara rieb sich die Stirn und nickte. „Ja, Joshuas Leiche wurde gefunden. In einem abgelegenen Waldstück. Ein Hund hatte seine Knochen ausgebuddelt. 19 Jahre hatten die Eltern gehofft. 19 Jahre vergebens.“ Kelly nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und fixierte ihre Freundin. Sie wusste, worauf Sara hinaus wollte. „Eine Tragödie. Aber das heißt nicht, dass dir dieses Schicksal auch widerfährt. Ihr findet Noah und die anderen Kinder. Du musst nur daran glauben, du darfst jetzt nicht aufgeben. Hörst du, Kleines?“
Es klingelte an der Haustür. Kelly stand auf und ging zur Tür. Im Türrahmen stand Cruz, übel zugerichtet. Er hatte eine aufgeplatzte Lippe und mehrere Blessuren, seine Klamotten waren zerfetzt und sein Hemdkragen war blutig. „Um Gottes Willen, was ist denn mit dir passiert?“ Kelly starrte ihn entsetzt an, wartete auf eine Erklärung. Cruz winkte ab. „Ach nichts Schlimmes, ich hatte eine Begegnung mit einem flüchtigen Bekannten.“ Sara kam in den Flur, sie war nicht weniger erschrocken als Kelly. Sie ging auf Cruz zu. „Oh Gott, bist du in Ordnung? Wer um alles in der Welt war das?“ Cruz schaute sie an und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Er klang so erschöpft, wie er aussah. „Na, rate mal. Ein Idiot, Cop, und Ex unserer Kollegin.“ Sara fasste es nicht. „Tim Rough hat dich so zugerichtet?“ Cruz schüttelte den Kopf. „Tim und seine drei Kumpels. Fiese Typen. Sie haben mich zu Hause abgefangen. Ich hatte keine Chance. Das wäre erst der Anfang, haben sie mir noch als Botschaft mitgegeben.“ Cruz krümmte sich. „Aber ihr solltet erst mal sehen, was ich mit denen angestellt habe.“ Kelly lachte auf. „Ist klar, du Held!“ „Kann mir einer von euch vielleicht mal einen Stuhl anbieten?“, blaffte Cruz in den
Weitere Kostenlose Bücher