Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
trockene Bettwäsche mit nach oben ins Schlafzimmer mit dem festen Vorsatz, hier Ordnung zu schaffen. Doch dann machte er den Fehler, eine Weile aus dem Fenster zu sehen.
Ein paar Segelboote glitten über den See, ihre weißen Segel blähten sich im Wind. Er erkannte Carls Kanu in der Nähe des Nordufers. Bestimmt angelt er wieder, dachte Brody. Dieser Mann existierte nur, um zu angeln und mit Mac zu klatschen.
Und dann war da noch Ricks Tochter mit Moses. Anscheinend war die Schule bereits aus. Der Hund machte einen riesigen Satz hinter dem Ball her und scheuchte einen Silberreiher auf. Der Vogel stieg hoch und schoss wie ein Pfeil ins Sumpfland davon.
Was für ein Idyll, dachte Brody geistesabwesend. So hübsch und friedlich …
Doch irgendetwas an dem Licht- und Schattenspiel auf dem See ließ ihn wieder an sein Buch denken. Er zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, als Moses wieder an Land paddelte, den Ball fest zwischen die Zähne geklemmt.
Doch was, wenn das kein Ball wäre …
Er ließ die Wäsche achtlos auf dem Bett liegen und marschierte zurück in sein Arbeitszimmer. Er würde nur diese eine Szene niederschreiben, ermahnte er sich. Maximal eine halbe Stunde, danach würde er sich um das Schlafzimmer kümmern, duschen, sich rasieren und etwas anziehen, das nicht so aussah, als hätte er bereits darin geschlafen.
Zwei Stunden später stellte Reece eine große Kiste mit Lebensmitteln auf der Veranda von Brodys Hütte ab, klopfte lebhaft an die Tür und ging dann zurück zum Auto, um eine zweite Kiste zu holen.
Sie klopfte erneut, diesmal etwas lauter. Als keine Reaktion kam, runzelte sie die Stirn und öffnete vorsichtig die Tür.
Sie wusste, dass ihre instinktive Angst, er könnte in der Badewanne ertrunken, die Treppe heruntergefallen oder bei einem Raubüberfall ermordet worden sein, absolut lächerlich war. Aber das machte ihre Angst nicht weniger real.
Außerdem war es so still im Haus, so leer. Sie kannte sich hier schließlich nicht aus. Sie konnte sich nicht recht zwingen, die Schwelle zu übertreten, nicht solange dieses Bild, wie er irgendwo blutend am Boden lag, noch mit solcher Klarheit in ihrem Kopf herumspukte.
Sie zwang sich einzutreten, rief seinen Namen.
Und als sie über sich Dielenbretter knacken hörte, schnappte sie sich ihr scharfes Küchenmesser aus einer der Kisten und umklammerte seinen Griff mit beiden Händen.
Er erschien heil und unversehrt, aber mit finsterer Miene oben an der Treppe.
»Was? Wie spät ist es?«
Vor lauter Erleichterung drohten ihr die Knie nachzugeben, aber sie schaffte es gerade noch, sich gegen den Türknauf zu lehnen und sich auf den Beinen zu halten. »So gegen sechs. Ich habe angeklopft, aber …«
»Sechs? Mist. Ich, äh, ich war dermaßen in meine Arbeit vertieft …«
»Das ist schon in Ordnung, kein Problem.« Der Schmerz in ihrer Brust wich einem anderen Druck. Er wirkte so verärgert, so verwirrt, so groß und männlich. Wenn sie sich auf ihre Beine hätte verlassen können, wäre sie am liebsten die Treppe hochgestürmt und hätte sich ihm in die Arme geworfen.
»Soll ich ein andermal wiederkommen?«
»Wie bitte?« Seine Stirn legte sich noch mehr in Falten. »Ich muss bloß erst noch … aufräumen.« Diese verdammte Bettwäsche. »Brauchst du meine Hilfe?«
»Nein, nein. Ich komm schon klar. Ich fange einfach an, das Abendessen zuzubereiten, falls du nichts dagegen hast. Das wird etwa zwei Stunden dauern, vielleicht auch etwas weniger. Du kannst dir also ruhig Zeit lassen.«
»Gut.« Er schwieg, bis er seine Daumen in die Vordertaschen seiner Jeans eingehängt hatte. »Was hattest du eigentlich mit dem Messer vor?«
Sie hatte ganz vergessen, dass sie es immer noch in der Hand hielt, und sah es mit einer Mischung aus Verwirrung und Scham an. »Keine Ahnung.«
»Vielleicht legst du es lieber weg, damit ich beim Duschen nicht ständig an Norman Bates denken muss.«
»Einverstanden.«
Sie drehte sich um und legte es wieder in die Kiste. Als sie sich erneut zu ihm umdrehen wollte, war er verschwunden.
Sie schleppte beide Kisten ins Haus. Sie wollte die Haustür abschließen, wünschte sich nichts sehnlicher, als die Haustür abzuschließen. Aber das war nicht ihr Haus. Trotzdem – merkte er gar nicht, wie leicht jedermann einfach so zur Tür hereinspazieren konnte? Sie hatte es schließlich auch getan. Wie konnte er da nur oben im ersten Stock sein und die unverschlossenen Türen einfach so vergessen? Und dann
Weitere Kostenlose Bücher