Verschlußsache Satan
zurückblieb.
Christina schrie auf!
Sie hatte die Schriftrolle zu lange festgehalten. Die Flamme war über ihre Hand gestrichen. In einer Reflexbewegung ließ sie ihre Beute fallen.
Neben ihren Füßen landete sie auf dem Boden und glühte dort noch weiter, wobei die Flammen schon recht klein geworden waren. Als sich Ignatius in Bewegung setzte und einige Stühle zur Seite schob, erwachte Christina aus ihrer Lethargie.
Sie sah das Feuer, und sie trat mit einer wilden Entschlossenheit auch die letzten Reste aus. Zurück blieben einige Rauchfäden und Asche, die heller aussah als die des Skeletts.
Ignatius sah das Zittern seines Schützlings. Er wusste, was jetzt wichtig war. Christina hatte die Grenze des Zumutbaren erreicht.
Er kam gerade rechtzeitig, um die junge Frau aufzufangen, die erschöpft und schluchzend in seine Arme sank.
»Es ist ja gut, Christina«, flüsterte Father Ignatius. »Es ist ja alles gut geworden...«
***
Dort ja, aber nicht für uns!
Wir standen zusammen mit fünf Frauen, die sich mal etwas Großes ausgerechnet hatten und nun erleben mussten, dass für sie eine Welt zusammenbrach.
Wir ließen sie in Ruhe. Sie sollten zu sich kommen. Aus einem Nachbarraum wehte uns der Geruch nach Verbranntem entgegen. Wir kümmerten uns nicht darum, denn wir beide hatten das Gefühl, dass noch nicht alles vorbei war.
»Du hast verloren«, sagte ich zu Martha. »Du hast endgültig verloren. Ich lebe noch, und auch AEBA hat den Schutz dieses Klosters aufgegeben. Nichts ist mehr so wie es mal war.«
Martha hob die Schultern. Sie gab auch eine Antwort, doch die Worte galten weder mir noch Suko. Sie drehte sich nicht zu ihren Verbündeten um, sondern fragte, den Blick weiter auf Suko und mich gerichtet: »Haben wir wirklich verloren, meine Lieben?«
»Nein!«
»Das ist gut. Können wir verlieren?«
»Nein, das können wir nicht!«
Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. Dann wandte sie sich an uns. »Habt ihr es gehört? Wir können nicht verlieren. Nicht wir, da wir so anders sind. Nicht wirklich, verstehst du?«
»Nein, das ist mir zu hoch.«
»Dabei ist es so einfach«, fuhr sie fort, und auch das Lächeln blieb. »Man muss es nur alles geplant haben, und wir haben an alles gedacht, Sinclair.«
»John!«, warnte mich Suko, »da kommt noch was nach! Denk an die Frau in der Kirche.«
Da wusste ich, was er meinte. Zugleich aber überkam mich die Erinnerung auf drastische Art und Weise. Die Wangen der vor uns stehenden Frau bewegten sich, und das hässliche Knirschen hatte ich schon mal in der Kirche gehört, als Zähne eine Glaskapsel mit Zyankali zerbissen hatten.
Genau das passierte hier auch!
Es war ein Bild, das sich mir einprägte. Ich würde es nie vergessen. Vor mir stand fast zum Greifen nahe die Frau in der Kutte. Sie starrte mir ins Gesicht, und ihre Blicke schienen mich durchbohren zu wollen. Dann zerrte sie ihre Lippen auseinander und öffnete den Mund. Wieder sah ich den Schaum und nahm auch den Geruch nach bitteren Mandeln wahr, der aus dem Mund strömte.
Ein Lachen.
Danach das Zucken des Körpers.
Und dann brach die Person vor unseren Augen zusammen. Sie kippte einfach um. Es hörte sich nicht mal laut an, als sie den Boden berührte; der dicke Kuttenstoff hatte den Aufprall gedämpft. Auf der Seite blieb sie liegen, den Kopf verdreht, und die toten Augen starrten anklagend in Richtung Decke.
Ich ahnte etwas. Vielleicht wusste ich es auch. Die vier falschen Nonnen waren Martha treu ergeben gewesen. Sie alle hatten nur einem Ziel gedient, das nun nicht mehr zu erreichen war. Das hatte zuerst Martha eingesehen, und jetzt war auch den anderen klar geworden, dass es nicht mehr weiterging. Der Traum war zusammengebrochen.
»Nicht!«, brüllte ich sie an. »Seid nicht verrückt! Macht euch nicht zu...«
Mir versagte die Stimme. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Ich sah auf Grund der Hautbewegungen in den Gesichtern, dass sich in den Mündern etwas bewegte.
»Warum wollt ihr euch selbst töten?«, rief ihnen Suko zu. »Ihr werdet weiterhin leben. Was habt ihr getan? Kann man euch vor Gericht stellen? Kann man das?«
»Nein, man kann nicht!«
Von der Seite her hörten wir die ruhige Männerstimme. Gesprochen hatte Father Ignatius, der mit ruhigen und sicheren Schritten diesen Raum betrat.
Er behielt uns ebenso im Auge wie die Frauen. Und seine Stimme hatte einen Klang besessen, der die Frauen innehalten ließ. Ignatius sagte zunächst nichts mehr. Er ging aber weiter.
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