Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
sie verloren das Gleichgewicht. Die abrutschenden Schneemassen rissen die beiden den Hang hinab und begruben sie unter dem wirbelnden Weiß.
Julie war genauso entsetzt wie die anderen, fing sich aber relativ schnell, ließ ihren Backpack fallen und folgte Carol, die keine Sekunde gezögert hatte und sich bereits auf dem Hang befand. Mit seitlichen Schritten stieg die Rangerin zu den Schneemassen hinab, die sich vor drei verkrüppelten Schwarzfichten angehäuft hatten. »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, rief sie den anderen zu. »Julie … du auch! Ich schaffe das auch allein. Ruf die Zentrale, sie sollen sofort einen Hubschrauber schicken! Jetzt zählt jede Sekunde, Julie!«
Julie hatte das Funkgerät bereits in der Hand, als die Entwarnung kam. Gary und Chris gruben sich zwischen den Schwarzfichten aus den Schneemassen und zogen sich lachend an den Stämmen hoch. »Das war wohl nichts!«, rief Gary so fröhlich, als hätte er gerade einen besonders gelungenen Sprung mit seinem Snowboard hinter sich. »Das hätte bei den Meisterschaften nicht mal für den letzten Platz gereicht.« Er klopfte den Schnee von seinem Skianzug. »Warum schauen Sie denn so streng, Ranger? Ist doch nichts passiert.«
»Nichts passiert, sagen Sie?« Carol war außer sich vor Wut. »Sie hätten tot sein können! Wenn die Bäume nicht gewesen wären, lägen Sie jetzt vielleicht da unten in der Schlucht!« Sie deutete in den dunklen Abgrund hinab.
Gary ließ sich nicht einschüchtern. »So steil ist der Hang doch gar nicht. Da sind wir vom Snowboarden ganz andere Sachen gewöhnt, stimmt’s?«
»Und das bisschen Schnee hat uns auch nichts ausgemacht«, unterstützte ihn sein Bruder. »So was passiert uns beim Training öfter. Kein Problem.«
»Kein Problem?« Die Rangerin beruhigte sich nur mühsam, malte sich wohl aus, wie die Schlagzeilen ausgesehen hätten, wenn die beiden Snowboarder tatsächlich in die Schlucht gestürzt wären. »Park Rangerin verschuldet den Tod zweier junger Snowboarder.« Selbst wenn sie keine Schuld getroffen hätte, wäre ihre Karriere beendet gewesen, und man hätte sie sofort entlassen. »Als erfahrene Wintersportler sollten Sie eigentlich besser wissen, dass man in den Bergen kein unnötiges Risiko eingeht. Sind Sie verletzt?«
»Alles noch dran, Ranger«, erwiderte Gary.
»Nichts passiert«, stimmte ihm Chris zu.
»Wenn Sie sich noch das Geringste zuschulden kommen lassen, schicke ich Sie nach Hause!«, warnte Carol. »Haben Sie mich verstanden? Oder ich breche die Wanderung ab, und Sie können sich auf saftige Schadenersatzforderungen gefasst machen. Bleiben Sie hinter mir, dann gibt es keinen Ärger.«
»Aye, Ranger.« Gary klang schon kleinlauter.
»Geht in Ordnung, Ranger«, versprach Chris.
»Und jetzt kommen Sie! Noch so eine Unterbrechung, und wir müssen unsere Zelte auf einem Hügel aufbauen, kein Vergnügen, das kann ich Ihnen versichern.« Sie wandte sich an die anderen. »Alles okay, es geht weiter!«
8
Der Unfall schien die Clarke-Brüder zur Vernunft gebracht zu haben. Sie stapften wesentlich zurückhaltender als bisher durch den Schnee, redeten nur, wenn sie wirklich etwas zu sagen hatten, und verkniffen sich eine spöttische Bemerkung, als Scott Jacobsen stolperte und zu Boden fiel. Mike Linaker zog ihn vom Boden hoch und munterte ihn mit einem freundschaftlichen Klaps auf. »Das passiert sogar erfahrenen Profis«, sagte er. »Was meinen Sie, wie oft meine Frau und ich schon im Schnee lagen? Schneeschuhe sind tückisch.«
Julie stellte sich geschickt an. Sie war öfter auf Schneeschuhen unterwegs, hatte sogar schon meilenlange Trails damit geebnet und wusste genau, wie man sich anstellen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Selbst erfahrene Wintersportler wie die beiden Snowboarder unterschätzten oft, wie anstrengend das Wandern auf Schneeschuhen war und wie schnell man dabei ins Schwitzen kam. Julie hatte es mal auf historischen Schneeschuhen versucht und war schon nach einer halben Meile außer Puste gewesen, die modernen Schneeschuhe waren aus wesentlich leichterem Material und kleiner.
Der Horizont verdunkelte sich bereits, als die Wanderer das Ende der Hügelkette erreichten und auf den jetzt wieder sichtbaren Pfad stiegen, der in zahlreichen Serpentinen ins Tal hinabführte. Der böige Wind, der von den Bergen herabwehte, hatte den lockeren Neuschnee vom Trail geweht, machte das Vorwärtskommen aber nicht leichter, weil jetzt an manchen Stellen das blanke Eis
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