Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
ist auf dem Heimweg«, berichtete sie Carol, nachdem sie zu den anderen gestoßen war. »Ich glaube, sie ist ganz froh, uns los zu sein.«
»Die Wanderung wäre zu einer Qual für sie geworden«, erwiderte die Rangerin, »und uns hätte sie nur unnötig aufgehalten. Sie kam mir schon heute Morgen etwas seltsam und labil vor. Kein Wunder, wenn man von seinem Freund geschlagen wird. Hoffentlich kehrt sie nicht zu diesem Macho zurück.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Carol nickte heftig. »Und dann passiert irgendwann was Schlimmeres. Wäre nicht das erste Mal …« Sie blickte nachdenklich ins Leere. »Einer Freundin von mir wäre das beinahe passiert. Ich hab sie angefleht, ihren Mann zu verlassen, aber sie verzieh ihm jedes Mal. Als ob sich so ein Typ ändern würde! Ich hoffe nur, Kati geht es anders. Sie sah mir nicht danach aus, als würde sie so einem Schläger standhalten.«
Julie holte sich einen Becher Tee und dachte an die Scheidung ihrer Eltern, an die bösen Worte, die zwischen ihnen gefallen waren. Obwohl sie damals im College und kaum zu Hause gewesen war, hatte sie ihre Streitereien und, was noch viel schlimmer war, ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen mitbekommen. Ihrem Vater war es beinahe egal gewesen, dass seine Frau mit einem anderen Mann nach Kalifornien gezogen war. Er war ohnehin die meiste Zeit im Krankenhaus. Jetzt hatte er eine Haushälterin, die ihm seine teure Wohnung putzte, und hielt sich nicht einmal eine Geliebte, weil er gar keine Zeit für sie hätte. Ihm gingen seine Karriere und sein Erfolg über alles.
»Julie«, erklang eine leise Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um und erkannte Josh, einen Teebecher in den Händen. »Julie! Ich muss dir was sagen.«
»Nicht jetzt, Josh«, wich sie ihm aus.
»Aber es ist wichtig!«
»Ich muss mich um meinen Job kümmern«, erwiderte sie ungehalten. Der Gedanke an die Scheidung ihrer Eltern hatte sie missmutig gestimmt. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich hier nicht auf einem Privatausflug bin. Ich kann mich nicht ständig um dich kümmern.«
»Eine Minute!«
»Okay, eine Minute.« Sie trat etwas zur Seite, damit die anderen sie nicht hören konnten, und trank ungeduldig von ihrem Tee. »Aber nicht länger …«
Er wirkte wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte, und sie kam sich beinahe schon schuldig vor, weil sie so streng und kleinlich zu ihm war. Sie bemühte sich, ihm nicht in die Augen zu sehen. Mit seinem Samtblick hatte er bestimmt schon mehr Mädchen rumgekriegt, und sie wollte sich auf keinen Fall mit ihm einlassen, und wenn er noch so verführerisch aussah.
Er sprach so leise, dass nur sie ihn hören konnte. »Das Mädchen … die junge Frau, die du an der Tankstelle gesehen hast … sie ist meine Schwester.«
»Ja, klar. Fällt dir nichts Besseres ein?«
»Sie ist meine Schwester, Julie … ehrlich!«
Sie hielt sich mit beiden Händen an ihrem Becher fest. »Du bist mir keine Rechenschaft schuldig, Josh. Wir hatten noch nicht mal ein Date. Du kannst mit so vielen Mädchen oder jungen Frauen ausgehen, wie du willst.«
»Ich will aber mit dir ausgehen. Seitdem ich dich getroffen habe, habe ich gar keine Lust mehr, mich mit anderen Mädchen zu treffen.« Er kramte seinen Geldbeutel aus der Anoraktasche und zog ein Foto heraus. »Hier … das ist Susan … so heißt meine Schwester … das ist Susan mit ihrem Mann. Erkennst du sie wieder?«
Julie betrachtete das Foto und erkannte die junge Frau von der Tankstelle, nur dass sie diesmal ein Brautkleid trug und der Mann neben ihr einen dunklen Anzug mit einem Blumensträußchen am Revers. Es gab keinen Zweifel.
»Sie war auf einem Jahrgangstreffen ihres College. Ihr Mann ist auf Geschäftsreise in Kalifornien. Auf dem Rückweg hatte sie eine Autopanne, und da sie sich den teuren Abschleppdienst ersparen wollte, rief sie mich an.« Er versuchte ein Lächeln, das ihm nicht ganz gelang. »Susan ist ein Geizhals.«
Sie reichte ihm das Foto zurück, wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. »Tut mir leid«, brachte sie schließlich mühsam hervor. »Da lag ich wohl ziemlich daneben.« Sie wagte nicht, ihm in die Augen zu blicken, diesmal aus Scham und Verlegenheit. »Und ich dachte, du wärst so ein … ein Womanizer.«
»Na ja …« Er grinste. »Früher …«
»Es tut mir leid, Josh. Okay?«
»Schon gut. Aber …«
»Wann geht’s eigentlich weiter?«, übertönte Gary Clarke das allgemeine Gemurmel mit seiner zu lauten Stimme, in der fast
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