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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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das Dachgeschoß bewohnte. Aber es kam, wie’s kommen mußte. Lisa Müller war nun doch ein wenig erschrocken über das naßforsche Auftreten ihres Gemahls: „Ach Karlchen, ich weiß nicht. Wenn es nun doch ein Irrer war, dann ist er bestimmt gefährlich. Man liest soviel in der Zeitung.“
    Karlchen Müller wiegelte sogleich ab: „Mach dir keine Sorgen. Gisbert und ich gehen bloß kurz nachgucken. Und wenn keiner da ist, fahren wir gleich wieder zurück. Wir werden vorsichtig sein, versprochen. Du wirst sehen …“
    „Karl, Karl, Karl. Was ist das bloß für eine Welt?“
    „Ich weiß, Lieschen, ich weiß. Aber wir tun nur unsere Bürgerpflicht. Kann doch tatsächlich sein, daß da draußen einer unsere Hilfe braucht.“
    „So, wie der geguckt hat. Das war ein Irrer, glaub mir. Ein Waldmensch. Der hat es sich da im Wald gemütlich gemacht. Und arbeiten tut der auch nicht. So, wie der aussah. Den stellt doch keiner ein.“
    Karl war jetzt ein ganz wagemutiger Hasardeur. „Es wird nicht lange dauern. Ich gehe Gisbert holen.“ Und Karlchen wußte, es mußte schnell gehen. Das mit dem Hasardeur würde nicht lange anhalten. Er umarmte Lieschen ein letztes Mal.
    Lieschen Müller unterdrückte ein paar Tränen. Es würden bange Minuten werden, bis die zwei Männer des Haushalts aus der Hölle zurückkehrten. Sie war aufs Schlimmste gefaßt. Ihre Finger bohrten sich in Karls Rücken.
    Sanft schob er sie von sich. „Ich muß.“
    Glück und Pech liegen oft nahe beieinander. Nachdem Sohnemann und Karl sie verlassen hatten, mußte Frau Müller zur Beruhigung ihres angespannten Nervenkostüms eine Runde um den Block drehen. Just als sie für ein paar Minuten absent war, klingelten Maria und der Oberkommissar Schmidt-Schmitt an der Tür ihres Häuschens in der Feldbergstraße. Die Müllers waren nicht die einzigen, die sie in Urlaub wähnten, schließlich war Ferienzeit.
    Die Stelle, an der Karl Müller Herrn Schweitzer erblickt hatte, war zum Anhalten denkbar ungeeignet, der nächste Waldweg hundert Meter entfernt. Dort parkte er den Opel. Seinen Sohn hatte er während der Fahrt eingeweiht. Und wie fast alle, die in dem Alter noch bei den Eltern wohnten, so hatte auch Gisbert, salopp gesagt, gewaltig einen an der Klatsche. Nie im Leben würde er Mamas Rockzipfel loslassen. Ergeben trottete er hinter seinem Vater her, bis sie die Stelle erreicht hatten, an der Lieschen und Karl den stark sanierungsbedürftigen Herrn Schweitzer erblickt hatten.
    „Was jetzt?“ fragte Gisbert, der ohne Anweisungen und Befehle völlig hilflos war.
    Doch auch Karlchens Chuzpe war auf dem Weg hierher erheblich abgekühlt. Sein Selbstverständnis hatte einen kritischen Punkt erreicht, der ihm nicht erlaubte, seiner Stimme die gewohnte autoritäre Festigkeit zu verleihen. „Ich … ich … am besten, du kletterst da mal kurz runter, Gisbert. Ich bleib hier oben und hab alles unter Kontrolle. Wenn nichts ist, fahren wir schnell wieder zurück, weil, dann ist ja nichts.“
    „Ich soll da runter?“ Gisbert war nun doch gar sehr überrascht. In Haus und Garten wurden ihm allenfalls Handlangerarbeiten überantwortet. Einmal, nur einmal in seinem Leben war er gezwungen, weil die Eltern am Sterbebett irgendeiner Tante weilten, sich sein Abendbrot selbst zuzubereiten. Euphorisch hatte er sich an Spiegeleier gewagt. Das Entfernen sämtlicher Schalen aus der Pfanne hatte Minuten beansprucht. Und Öl hatte er auch nicht benutzt, so daß die zwei Eier mehr oder weniger verkohlten. Damit stand er jedoch nicht alleine. Laut einer glaubhaften Statistik sind in Deutschland über dreißig Prozent aller Männer nicht in der Lage, sich Spiegeleier zuzubereiten. Soviel zur Emanzipation.
    „Na klar, Gisbert, das schaffst du schon.“
    Gisbert war sich da gar nicht so sicher. Außer Dabbischkeit war ihm obendrein noch Unsportlichkeit gegeben. Er schleppte mehr Übergewicht als Herr Schweitzer mit sich rum. Und das will was heißen. Andererseits wagte er es nicht, seinem Vater zu widersprechen. Sein Blick gab zu verstehen, daß er sich äußerst unwohl fühlte.
    „Nun mach schon! Mutti macht sich bestimmt schon Sorgen.“
    Das war das Stichwort. Daß sich Mutti Sorgen machte, galt es mit allen Mitteln zu verhindern. Mutti war für Gisbert das Wertvollste auf der Welt. Er schmiß alle Bedenken über Bord und machte sich hurtig an den Abstieg, ängstlich beäugt von seinem Vater.
    „Hier ist nichts“, kam es zwei Minuten später von unten.
    Karl Müller

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