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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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überlegte und schrie dann zurück, obwohl es normale Lautstärke auch getan hätte: „Geh mal ein paar Meter nach links und dann auch noch ein paar nach rechts, vielleicht ist dort was.“
    Natürlich war da auch nichts, schließlich lag das Auftauchen des Waldgeistes über der Leitplanke schon ein paar Stunden zurück und Herr Schweitzer war inzwischen fast dreihundertfünfzig Meter weitergekrochen. Nur ein ausgebildeter Indianerscout hätte die Spuren am Boden richtig gedeutet.
    „Da ist auch nichts, Papi.“
    Eine Dosis Erleichterung war aus Karl Müllers Worten herauszuhören: „Dann laß gut sein, Gisbert. Komm wieder hoch.“
    Das war leichter gesagt als getan. Doch angetrieben von Muttis möglichen Sorgen gelang es Gisbert, den steilen Hang zu erklettern. Völlig durchschwitzt stieg er über die Leitplanke.
    „Gut gemacht, Gisbert. Jetzt aber nix wie zurück!“
    Förster Wördemann traf der Schlag. Sein Schäferhund Fluppe wirkte da schon abgeklärter. Zwar gehörten vom Rumpf abgetrennte und von Fliegenschwärmen umtoste Köpfe nicht zu seinem täglich Brot, aber Fluppe führte als Jagdhund auch ein aufregendes Leben, in dem Absonderlichkeiten wie diese hier einfach dazugehörten. Seine Augen schwirrten zwischen Jäger und abbenem Kopf hin und her. Fieberhaft überlegte er, ob von ihm nun erwartet wurde, den Kopf als Beute zu apportieren. So wie er es mit vom Himmel geschossenen Vögeln oder auf der Flucht erlegten Hasen handhabte. Doch hier war kein Schuß vorausgegangen, was ihn doch sehr irritierte. Außerdem gab Förster Wördemann keine Befehle von sich. Und ohne Befehle, das wußte Fluppe, er war nämlich ein schlauer Schäferhund, durfte er nichts unternehmen. Also bellte er nur.
    Der Förster indes verharrte regungslos. Mit langsamen und kontrollierten Bewegungen ließ er die Flinte von seiner Schulter in die Hände gleiten. Seine Augen hatten den Rumpf längst entdeckt. „Psst“, flüsterte er zu Fluppe, der auch sogleich verstummte. Wördemann entsicherte die Flinte und bückte sich. Von dort, wo er stand, konnte er die Hütte nicht sehen, zahlreiche Sträucher standen im Blickfeld. Seine Hütte. Als kleiner Junge war er seinem Vater, ebenfalls Förster desselben Bezirks, beim Bau zur Hand gegangen. Er kannte jede Ecke und jeden Nagel. Das Geschirr stammte ausschließlich von ihm oder seinem Vater. Sein Instinkt gemahnte zur Vorsicht, sein Herz pochte in asymmetrischen Abständen. Kein Wunder, denn ein Rumpf lag hier nur selten kopflos rum. Wördemann hoffte, nicht noch weiteres Ungemach vorzufinden, was aber mehr Wunsch als Realität war.
    Wie zuvor schon Herr Schweitzer sah er die Ruine aus derselben Perspektive. Und auch der Förster zog die Möglichkeit in Erwägung, entweder auf weitere Leichen zu treffen, oder auf Leute, die ihn persönlich zu einer solchen zu machen nicht zögern würden. Doch anders als Schafe sind Leichen nicht zwangsläufig Herdentiere; sie kamen auch ganz gut alleine zurecht.
    Wördemann, sicher ist sicher, schickte Fluppe mit einem Kopfnicken voraus. Der Hund wedelte eifrig mit dem Schwanz. Er liebte es, mit Aufgaben versehen zu werden, die aus der täglichen Routine fielen. Sabbernd bildete er die Vorhut. Auch er duckte sich beim Anschleichen. Sicherlich hatte Herrchen einen Grund für sein seltsames Verhalten.
    Ein paar Minuten später war die Hütte, oder besser: die verkohlten Reste davon, samt der näheren Umgebung aufs Gründlichste inspiziert. Obschon der Förster kein Kriminaler war, kam auch er zu dem Schluß, das wie ein Fanal in einem Balken steckende Teil einer Propangasflasche könnte irgendwie mit der Unordnung und dem Geköpften zusammenhängen. „Jaja, der Gaskocher“, sagte der Förster in Ermangelung menschlicher Gesellschaft zu Fluppe. „Wollten wir den nicht schon letztes Jahr zur Reparatur bringen? Ist ja auch schon uralt, das Ding.“ Jetzt, da er sich nicht mehr als Ziel weiterer Exekutionen betrachtete, war auch seine Contenance zurückgekehrt.
    Geschichte wiederholt sich. Obschon er es besser wußte, probierte auch der Förster die Empfangsbereitschaft seines Mobiltelefons aus. Wie schon bei Herrn Schweitzer fiel sie negativ aus. Er mußte also zum Wagen zurück.
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