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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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werden?“
    „Ja, Karl. Ich bin froh, daß wir schon so alt sind. Ich weiß gar nicht, wie die jungen Leute das alles bloß aushalten?“ Der Weltkrieg war anscheinend vergessen.
    Dann waren sie aus dem Waldstück draußen.
    Die Müllers waren die einzigen Menschen, die Herr Schweitzer auf sich aufmerksam machen konnte, ehe ihn seine Kräfte verließen und er den mühsam erklommenen Hang wieder herabrutschte, wobei auch noch der untere Teil seiner Behelfskrücke sowie die Fußschiene zersplitterte. Nicht einmal aufschreien konnte er mehr, obschon sein Fuß wie Höllenfeuer schmerzte. Ohne Besinnung blieb er unten liegen. Erste beutehungrige Fliegen umschwirrten ihn.
    Hinter Königstein hatten sie die B8 genommen, um dann an einer Kreuzung auf die Landstraße nach Oberreifenberg, welches sich erst im Jahre 1849 aus dem Dorf Reifenberg abgespaltet hatte, abzubiegen. Eine eigene Polizeidienststelle besaß dieses höchstgelegene Taunusdorf nicht, aber auch so war es für Schmidt-Schmitt nicht schwer, auf Kollegen zu treffen. Den Twingo hatte er neben einem Streifenwagen geparkt, dessen Besatzung gerade in der Bäckerei nahe der Burg Reifenberg war, wo sie Simon Schweitzers Konterfei an die Schaufensterscheibe klebten. Der Oberkommissar begrüßte die Kollegen und fragte nach dem Stand der Dinge.
    In Oberreifenberg war die Welt noch in Ordnung. Die meisten Geschäfte schlossen samstags um dreizehn Uhr ihre Pforten und das Wochenende konnte beginnen. Eingedenk dessen waren die beiden Polizisten froh, noch vor Ladenschluß sämtliche Plakate des Vermißten in den diversen Geschäften der Gemeinde – viele waren es eh nicht – aufgehängt zu haben. Bisher habe man aber leider noch niemanden getroffen, der sich an Herrn Schweitzer erinnerte. Aber man wolle noch von Haustür zu Haustür gehen, um die Leute zu befragen. Hier sei sowieso nie was los, „nicht wie bei euch in Frankfurt“, da könne man sich voll und ganz der Vermißtenmeldung widmen.
    Maria und der Oberkommissar boten spontan ihre Mithilfe an. Anhand eines Stadtplans wurde der Unterstützung aus Frankfurt die Feldberg- und die Siegfriedsiedlung im Osten Oberreifenbergs zugewiesen.
    Kurze Zeit später klingelte Schmidt-Schmitt an der ersten Haustür. Niemand war da. Etwa zwei Dutzend Gartenzwerge bewachten den englischen Rasen und die wie mit dem Lineal gezogenen Rosenbeete. Des Nachbars Köter bellte wie wild und blöd. Andere Hunde aus weit und fern stimmten ins Gekläffe mit ein.
    „Briefträger möchte ich hier nicht sein“, bemerkte Maria von der Heide.
    Schmidt-Schmitt fiel seine Verabredung für heute abend ein. Er rief seinen Kumpel Roland Stipp an.
    Gegen Viertel nach zwei war die Siegfriedsiedlung abgehakt. Die Menschen, die hier lebten, waren nett und hilfsbereit, aber keiner hatte jemals Simon Schweitzer gesehen. Fast überall war man mit Gartenarbeit beschäftigt.
    Pepsi machte sich wirklich Sorgen. Seit geraumer Zeit stöhnte der Dicke und kam einfach nicht zur Besinnung. Es half kein Lecken und auch die Trippelschritte auf seinem Bauch brachten nichts.
    Erst ein herabfallender kleiner Ast, der direkt in seinem Schoß landete, ließ Herrn Schweitzer hochfahren. Das geschah so abrupt, daß Pepsi vor Schreck ein paar Meter flüchtete. Aus sicherer Entfernung betrachtete sie das weitere Geschehen.
    Er brauchte einige Sekunden der Orientierung. Ein oben vorbeifahrendes Auto half ihm auf die Sprünge. Herr Schweitzer untersuchte seine Krücke. Sie war um etwa fünfzehn Zentimeter kürzer. Ein Blick nach oben verriet ihm, ein zweites Mal würde er es nicht schaffen. Er war durstig und wußte mit Gewißheit, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Entweder er schaffte es selbst aus diesem Wald heraus oder es entdeckte ihn jemand zufällig. An die dritte Alternative wollte er lieber nicht denken. Er rief Pepsi zu sich: „Miau.“
    Das Kätzchen kam sofort. Herr Schweitzer wollte etwas sagen, doch seine Stimme versagte ihm. Nur ein Krächzen entströmte seinem Mund. Er versuchte, ein wenig Spucke in der Mundhöhle zu verteilen, doch viel war es nicht mehr, was sich verteilen ließ. Obendrein entdeckte er unter der Achsel einige vereiterte Splitter im Fleisch, verursacht von seiner Krücke. Herr Schweitzer machte sich nichts vor, ernsthafte Zeichen des Verfalls waren das. Er kroch zum nächstgelegenen Baum, an dem er sich abstützen konnte. Als er dann endlich stand, wurde ihm schwarz vor Augen und er ging zurück in die Hocke. Er wartete, bis die

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