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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Schweitzer: „Im Dienst des Volkes würde uns völlig reichen.“ Taktisch klug ergänzte er: „Und jetzt wäre es sagenhaft nett von euch, wenn ihr uns kurz ins Eichkatzerl fahren könntet. Bitte. Ihr habt doch eh gerade Pause. Und ich …“ Er deutete auf seine Krücke. „… bin noch schwer verletzt.“
    „Ins Eichkatzerl, das Leben vertiefen …“ Funkal hatte sich schon breitschlagen lassen. „So, so. Dann steigt mal ein, ihr Lebensvertiefer.“
    Die Türen waren zugeschlagen. Das Polizeiauto – neuerdings blau-weiß statt grün-weiß – fuhr mit quietschenden Reifen davon. Wenn nicht alles täuschte, würde es ein sehr, sehr langer Abend werden.
    Alexander Michailovitsch war außer sich vor Wut. Wir wollen ja keine Klischees bedienen, aber alle Russen sind immerfort außer sich vor Wut, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht. Soeben hatte der Eintracht-Präsident Pierre Angler angerufen und den morgigen Termin platzen lassen. Leider habe es Entwicklungen gegeben, die selbst ein lockeres Informationsgespräch als unnütz erscheinen lassen, so dessen Worte. Für den Milliardär aber wäre es bedeutend mehr gewesen als ein schlichter Austausch von Informationen. Im Prinzip war nur noch die Höhe seines finanziellen Einstiegs bei dem Bundesligaclub offen. Diese scheiß Deutschen haben einfach keine Ehre im Leib. Heute hüh, morgen hott. Immer dasselbe mit denen. Kein Wunder, daß sie den Zweiten Weltkrieg verloren haben. Mal Westfront, mal Ostfront, anstatt sich auf eine Sache zu konzentrieren. Aufgebracht tigerte Michailovitsch auf den paar Quadratmetern seines Zimmers auf und ab. Was ein Mann seines Schlags aber stets ignorierte, war die Tatsache, daß in Sankt Petersburg ein bloßer Gedanke von ihm bei seinen Untergebenen umgehend als strikter Befehl gedeutet wurde, der keinen Aufschub duldete. Und, das mußte man Alexander Michailovitsch jetzt aber zugute halten, Frankfurt war weder Deutschland noch Sankt Petersburg. Bis 1806 war man Freie Reichsstadt und das schlägt sich bis heute im Charakter der Bevölkerung nieder. Ein jeder trug ein Quantum Aufsässigkeit mit sich herum. Was im Ruhrpott bei Schalke 04 funktionierte, funktionierte hier noch lange nicht. Und mochte die Oberbürgermeisterin Petra Roth noch so oft die Worte von der Weltstadt mit Herz in den Mund nehmen, wenn dem Frankfurter, und hier ganz speziell dem Sachsenhäuser, was nicht in den Kram paßte, dann half auch kein Honig um den Mund schmieren. So gesehen war Michailovitsch ein Opfer dieser Sturheit.
    Seine Rage wollte kanalisiert sein: „Morgen reisen wir ab!“
    Wladimir und Sergej waren solche spontanen Ausbrüche von ihrem Boß gewohnt. Sie nahmen es gelassen. Noch.
    „Wladimir!“
    „Ja, Chef.“
    „Rückflug buchen, aber dalli!“
    „Ja, Chef.“
    „Sergej!“
    „Ja, Chef.“
    „Du hast eine halbe Stunde! Dann will ich von dir wissen, in welcher scheiß Kneipe in diesem scheiß Dorf es scheiß Wodka zu saufen gibt. Kapiert?“
    „Ja, Chef.“
    „Auf was wartet ihr also verdammt noch mal?“
    „Ja, Chef.“
    „Ja, Chef.“
    Katzbuckelnd verließen sie rückwärts das Zimmer. Sie befanden sich in einer Ausnahmesituation. Nie zuvor war ihr Boß dermaßen aus der Rolle gefallen. In Rußland war sein Wort Gesetz und alles lief wie am Schnürchen, dort gebot er über die halbe Duma. Was genau hier schiefgelaufen war, ahnten sie allenfalls.
    „Ist doch egal“, sagte Wladimir, als sie auf den Aufzug warteten. „Laß ihn die erste Flasche Wodka gesoffen haben, dann beruhigt er sich auch wieder.“
    Sergej strahlte. „Jau. Und weil er nicht gerne alleine trinkt, ein echtes russisches Gelage ist genau das, wozu ich jetzt auch Lust habe.“
    „Und ich erst.“
    Hätten die beiden Kampfmaschinen geahnt, daß in wenigen Stunden direkt vor dem Hotel King die Luft von chinesischen Gewehrkugeln durchsiebt werden würde, wer weiß, vielleicht hätten sie zwischendurch mal einen Kaffee getrunken.
    Maxim hatte den Einbruch der Dunkelheit abgewartet. Das Schweizer Messer war seinen Preis wert. An einem herumliegenden Backstein hatte er es ein wenig nachgeschärft. Nun schnitt es wie in Butter. Er brauchte nicht mal besonders leise zu sein, der Lärm der vorbeifahrenden Autos übertünchte die Geräusche der kratzenden Messerklinge. Bei sich nähernden Schritten unterbrach er seine Arbeit für ein paar Sekunden, bis sie sich wieder entfernt hatten.
    Als Maxim mit der Schießscharte fertig war, zündete er sich zufrieden eine Zigarette

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