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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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nennen, ist das Ihre Sache. Doch Ihr Gemütszustand ist durchaus relevant und aussagekräftig. Und das wissen Sie auch. Doch ich ziehe die letzte Frage zurück, aus Respekt. Gehen wir anders an die Sache heran. Haben Sie schon einmal etwas von dem »Mördergen« gehört?
    Zeuge:
    Ja.
    Mister Logiudice:
    Und wo haben Sie davon gehört?
    Zeuge:
    Lediglich in Unterhaltungen. Ich habe den Begriff in einem Gespräch mit meiner Frau gebraucht, das ist alles. Es ist nur so ein umgangssprachlicher Ausdruck, mehr nicht.
    Mister Logiudice:
    Ein umgangssprachlicher Ausdruck.
    Zeuge:
    Es handelt sich nicht um einen wissenschaftlichen Begriff. Ich bin kein Wissenschaftler.
    Mister Logiudice:
    Selbstverständlich. Wir sind hier alle keine Experten. Also, als Sie diesen Ausdruck »Mördergen« gebraucht haben, worauf haben Sie sich da bezogen?
    (Der Zeuge antwortet nicht.)
    Mister Logiudice:
    Nun kommen Sie schon, Andy, nicht so schüchtern. Mittlerweile ist das alles in den Akten. Sie haben in Ihrem Leben viel Angst ausgestanden, stimmt das?
    Zeuge:
    Das ist lange her. Als Kind, heute nicht mehr.
    Mister Logiudice:
    Das liegt lange zurück, okay. Sie haben sich also vor langer Zeit, als Sie noch ein Kind waren, um Ihre Herkunft, um Ihre Familie Sorgen gemacht, stimmt das?
    (Der Zeuge antwortet nicht.)
    Mister Logiudice:
    Man könnte mit Recht behaupten, dass Sie aus einer Familie stammen, in der die Männer über Generationen gewalttätig waren, stimmt das, Mister Barber?
    (Der Zeuge antwortet nicht.)
    Mister Logiudice:
    Diese Behauptung ist richtig, nicht wahr?
    Der Zeuge:
    (Unverständlich.)
    Mister Logiudice:
    Es tut mir leid, ich habe Sie akustisch nicht verstanden. Sie stammen aus einer Familie, in der die Männer über Generationen gewalttätig waren, ist das richtig, Mister Barber?
    Gewalttätigkeit war Familientradition. Man konnte sie wie einen roten Faden über drei Generationen zurückverfolgen. Wahrscheinlich noch länger, wahrscheinlich verlief der rote Faden direkt bis zu Kain, doch ich hatte niemals Näheres herausfinden wollen. Ich hatte lediglich ein paar Schreckensgeschichten, deren Wahrheitsgehalt nicht zu überprüfen war, und einige Fotografien geerbt, und das war schon schmerzhaft genug. Als Kind wollte ich jene Geschichten völlig vergessen. Ich fragte mich oft, wie es wäre, wenn irgendeine magische Amnesie über mich kommen und meinen Verstand komplett leer fegen würde, und danach würden nur noch mein Körper übrig bleiben und ein Ich, leer wie ein unbeschriebenes Blatt und formbar wie weicher Ton. Doch war die Geschichte meiner Vorfahren tief in mein Gedächtnis eingegraben und wartete nur darauf, in mein Bewusstsein vorzudringen, sosehr ich auch versuchte, sie zu vergessen. Ich lernte, damit umzugehen. Später lernte ich, sie Jacob zuliebe vollkommen zu verdrängen, sodass sie für jedermann unsichtbar war und niemand auf die Idee kam, mich danach zu fragen. Laurie glaubte an die Kraft des Gesprächs als heilsame Therapie, aber ich hatte niemals Lust verspürt, mich zu heilen. Ich habe niemals geglaubt, dass so etwas möglich ist. Laurie hat das nie verstanden. Sie wusste, dass der Gedanke an meinen Vaters mich quälte, aber sie kannte die Gründe nicht. Sie glaubte, das Problem wäre, dass ich ihn niemals gekannt hatte und dass in meinem Leben der Platz des Vaters immer leer bleiben würde. Ich habe ihr niemals etwas anderes erzählt, obgleich sie versuchte, mich aufzubrechen wie eine Auster. Lauries Vater war Psychotherapeut, und vor Jacobs Geburt hatte sie an der Gavin Middle School im südlichen Teil von Boston die fünften und sechsten Jahrgänge in Englisch unterrichtet. Aufgrund dieses Hintergrunds glaubte sie, einige Erfahrung im Umgang mit Jungen zu haben, deren Väter Phantome geblieben waren. »Du wirst damit niemals klarkommen, wenn du nicht darüber redest«, sagte sie mir immer wieder. Oh, Laurie, du hast niemals verstanden, dass ich niemals die Absicht hatte, damit »klarzukommen«. Ich wollte damit Schluss machen, fertig. Ich wollte diese ganze verkommene Schar von kriminellen Vorfahren aufhalten, indem ich alles in mir verschloss. Ich würde einfach dastehen und die Vergangenheit empfangen wie eine Gewehrkugel und sie damit zum Stillstand bringen. Ich würde einfach nicht zulassen, dass es an Jake weitergegeben würde. Also entschied ich mich, nicht mehr zu erfahren, keine Nachforschungen zu meiner Familiengeschichte anzustellen oder nach kausalen Zusammenhängen zu suchen. Ich

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