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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Grand Jury ist kein Gerichtsverfahren. Es sind weder Richter noch Vertreter der Verteidigung anwesend. Es ist die Stunde des Staatsanwalts. Es ist eine Vernehmung und theoretisch auch ein Test für die Macht des Staatsanwalts, denn die Grand Jury entscheidet am Ende, ob die Beweise für eine Anklage ausreichen. Erst wenn sie die Anklage billigt, kann der Staatsanwalt den Fall vor Gericht bringen. Wenn nicht, dann zeigt sie die Rote Karte, und das Verfahren ist abgeschlossen, bevor es überhaupt eröffnet wurde. In der Praxis sind negative Entscheidungen selten. Die meisten Grand Jurys stimmen für eine Anklage. Warum auch nicht? Sie kriegen ja nur eine Seite der Geschichte zu hören.
    Doch in diesem Fall wussten die Geschworenen Bescheid, nehme ich an. Logiudice hatte nichts vorzuweisen. Diesmal nicht. Mit Beweisen, die so veraltet und fehlerhaft waren, würde man nicht auf die Wahrheit stoßen. Nicht nach allem, was geschehen war. Das alles lag nun schon ein Jahr zurück. Es waren mehr als zwölf Monate vergangen, seitdem man den Leichnam eines Vierzehnjährigen gefunden hatte, mit drei Stichwunden in der Brust, die aussahen wie von einem Dreizack. Aber das alleine war es nicht, es gab noch viele andere Gründe. Es war vorbei, und die Grand Jury war sich im Klaren darüber.
    Auch ich war mir im Klaren darüber.
    Nur Logiudice blieb unbeirrt. Er schürzte in der für ihn typischen seltsamen Weise die Lippen. Er ging seine Aufzeichnungen auf seinem gelben Notizblock durch und überlegte die nächste Frage. Er tat genau das, was ich ihm beigebracht hatte. Die Stimme in seinem Kopf war meine: Egal, wie sehr dein Fall auf Sand gebaut ist, halt dich an die Spielregeln. Spiel das alte, über fünfhundert Jahre alte Spiel. Nutze die alte miese Technik des Kreuzverhörs – reizen, in die Enge treiben, fertigmachen.
    Er fragte: »Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie zum ersten Mal von dem Mord an dem jungen Rifkin erfahren haben?
    »Ja.«
    »Bitte schildern Sie uns das.«
    »Ich bekam einen Anruf, ich glaube zuerst von der CPAC , das ist die bundesstaatliche Polizei. Dann kamen unmittelbar danach noch zwei weitere, einer von der lokalen Polizei in Newton und einer vom diensthabenden Staatsanwalt. Vielleicht bringe ich die Reihenfolge durcheinander, aber auf jeden Fall klingelte unaufhörlich das Telefon.«
    »Wann war das?«
    »Am Donnerstag, den 12. April 2007, so gegen neun Uhr, kurz nachdem man den Leichnam gefunden hatte.
    »Warum wandte man sich an Sie?«
    »Ich war der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt. Ich wurde über jeden Mord im Verwaltungsbezirk informiert. Das war Routine.«
    »Aber Sie haben nicht jeden Fall selbst übernommen, oder? Sie haben nicht in jedem Mord, der gemeldet wurde, ermittelt und ihn vor Gericht gebracht?«
    »Nein, selbstverständlich nicht. Dazu hätte ich gar keine Zeit gehabt. Ich habe nur wenige Mordfälle selbst übernommen. Die meisten habe ich anderen Staatsanwälten zugewiesen.«
    »Aber diesen Mord haben Sie selbst übernommen?«
    »Ja.«
    »Haben Sie das sofort entschieden oder erst später?«
    »Ich habe das praktisch sofort entschieden.«
    »Warum? Warum ausgerechnet diesen einen Fall?«
    »Es gab eine Übereinkunft mit der Bezirksstaatsanwältin Lynn Canavan, dass ich bestimmte Fälle persönlich übernehmen würde.«
    »Welche Fälle?«
    »Besonders wichtige Fälle.«
    »Und warum ausgerechnet Sie?«
    »Ich war der dienstälteste Staatsanwalt. Sie wollte sichergehen, dass wichtige Fälle entsprechend behandelt würden.«
    »Und wer entschied, welche Fälle besonders wichtig waren?«
    »In erster Instanz ich. Natürlich in Abstimmung mit der Bezirksstaatsanwältin, aber am Anfang entwickeln sich die Dinge meist recht schnell. Da bleibt keine Zeit für eine Sitzung.«
    »Sie haben also eigenmächtig entschieden, dass der Mord an Rifkin von besonderer Wichtigkeit war?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und warum?«
    »Weil es um Mord an einem Kind ging. Ich glaube, wir gingen auch davon aus, dass der Fall bald eine eigene Dynamik entwickeln und die Medien interessieren würde. Das Verbrechen passte genau ins Muster: eine reiche Stadt, ein reiches Opfer. Wir hatten schon ein paarmal ähnliche Fälle gehabt. Am Anfang tappten wir im Dunkeln. Irgendwie sah es so aus wie Tötung an einer Schule, wie damals das Columbine-Massaker in Littleton. Wir hatten so gut wie keine Anhaltspunkte, und gleichzeitig schien der Fall nicht ohne. Hätte ich dann bemerkt, dass dem nicht so war, hätte

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