Verschwiegen: Thriller (German Edition)
verwendet, behauptet, du würdest ein Messer besitzen. Der Name ist nicht angegeben. Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte, Jacob?«
»Derek, Derek Yoo.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er hat das Gleiche auf Facebook behauptet. Schon seit einiger Zeit behauptet er das.«
Jonathan nickte, stellte aber nicht die offensichtliche Frage: Und was ist damit, stimmt das?
»Ein Fall mit sehr vielen Indizien«, meinte er. »Ich würde gerne über den Fingerabdruck reden. Fingerabdrücke sind eigentlich von untergeordneter Bedeutung. Man kann unmöglich rekonstruieren, wann und wie der Fingerabdruck dorthin kam. Oft gibt es eine völlig unverdächtige Erklärung.«
Er ließ diese Bemerkung ganz nebenbei fallen, ohne aufzuschauen.
Ich wand mich innerlich.
»Da gibt es noch etwas«, warf Laurie ein.
Eine Pause, die Atmosphäre im Raum verdichtete sich.
Laurie sah ängstlich in die Runde. Ihre Stimme war heiser, wie belegt. »Und was ist, wenn behauptet wird, Jacob hätte etwas geerbt, etwas wie eine Krankheit?«
»Das verstehe ich nicht. Was soll er geerbt haben?«
»Gewalt.«
»Was?«, fuhr Jacob auf.
»Ich habe keine Ahnung, ob Ihnen mein Mann das erzählt hat: In unserer Familie gibt es offensichtlich eine Veranlagung zur Gewalt.«
Ich bemerkte, dass sie unsere Familie gesagt hatte, im Plural. Ich hielt mich an dieser Mehrzahl fest, um nicht ins Bodenlose abzustürzen.
Jonathan lehnte sich zurück und nahm seine Brille ab. Sie hing an der Perlenschnur. Er sah Laurie fragend an.
»Nicht bei Andy und mir«, erläuterte sie, »sondern bei Jacobs Großvater, seinem Urgroßvater, seinem Ururgroßvater und so weiter.«
»Was erzählst du da, Mom?«, fragte Jacob.
»Es ist nur eine Frage: Könnte es sein, dass man behauptet, Jacob hätte eine … Veranlagung? Eine genetisch bedingte Veranlagung?«
»Was für eine Veranlagung?«
»Zur Gewalt.«
»Eine genetisch bedingte Veranlagung zur Gewalt? Nein. Natürlich nicht.« Jonathan schüttelte den Kopf, doch dann siegte seine Neugier. »Von wessen Vater und Großvater ist hier die Rede?«
»Von meinem.«
Ich fühlte, wie ich errötete, wie sich meine Wangen und Ohren erwärmten. Ich schämte mich. Dann schämte ich mich noch mehr wegen meiner mangelnden Selbstbeherrschung. Ich schämte ich, weil Jonathan mitbekam, dass mein Sohn das erst jetzt erfahren musste und ich so als Lügner und schlechter Vater dastand. Am allermeisten schämte ich mich vor meinem Sohn.
Jonathan wandte taktvoll den Blick von mir ab, damit ich mich wieder fangen konnte. »Nein, Laurie, diese Art von Beweisführung ist nicht zulässig. Und soweit ich weiß, existiert keine genetische Veranlagung zur Gewalt. Falls Andy tatsächlich aus einer gewalttätigen Familie kommt, dann sind nicht zuletzt sein Charakter und sein Leben der Beweis dafür, dass diese Veranlagung nicht existiert.« Er warf mir einen Blick zu, um sicherzugehen, dass ich die Zuversichtlichkeit in seinem Tonfall wahrgenommen hatte.
»Ich habe keine Angst vor Andy, sondern vor Staatsanwalt Logiudice. Was ist, wenn er davon erfährt? Heute Morgen habe ich den Begriff gegoogelt. Es gibt Fälle, in denen diese Art von DNA -Nachweis zugelassen wurde. Es wird behauptet, dieses Gen würde den Angeklagten aggressiv veranlagen. Man nennt es das Mördergen.«
»Das ist völlig lächerlich. Ein Mördergen! Sie haben derartige Fälle sicher nicht in Massachusetts gefunden!«
»Nein.«
»Sie ist aufgebracht, Jonathan«, warf ich ein. »Wir haben erst letzte Nacht darüber geredet. Das ist alles meine Schuld. Ich hätte ihr das nicht alles auf einmal zumuten sollen.«
Laurie warf ihre Schultern zurück und hob den Kopf, um zu unterstreichen, dass sie alles im Griff hatte und ich völlig falschlag.
»Laurie, ich versichere Ihnen, dass wir mit allen Mitteln kämpfen werden, wenn sie diesen Begriff ins Spiel bringen. Das ist völlig absurd«, erwiderte Jonathan in beruhigendem Tonfall. Dann entfuhr ihm ein verächtliches Schnauben, und er schüttelte den Kopf, was für einen sanften Mann wie ihn eine heftige Reaktion war.
Und selbst heute, wenn ich daran zurückdenke, wie der Begriff Mördergen auf den Tisch gebracht wurde, und noch dazu von Laurie, fühle ich, wie sich mir die Nackenhaare sträuben und Wut in mir hochkocht. Das Ganze war nicht nur ein übles Konzept und eine gemeine Verleumdung, es war auch eine Beleidigung gegenüber mir als Anwalt. Dessen Rückständigkeit war augenfällig, ebenso die Art, wie Genforschung und
Weitere Kostenlose Bücher