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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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könnten.«
    Jacob lehnte sich zurück und faltete die Hände über seinem Bauch. Das Thema war für ihn erledigt. Das Mördergen war jetzt in seinem Kopf, und dort blieb es auch, glaube ich. Ich ließ das Thema ebenfalls fallen. Es hatte keinen Sinn, ihm etwas vom schier unerschöpflichen Potenzial des Menschen zu erzählen. Er besaß die instinktive Vorliebe seiner Generation für wissenschaftliche Erklärungen gegenüber althergebrachten Wahrheiten. Er wusste, was es bedeutete, wenn Wissenschaft gegen magisches Denken antritt.

Elftes Kapitel
    Joggen
    Eigentlich liegt mir Joggen nicht – ich bin viel zu schwerfällig, viel zu korpulent, viel zu massig. Ein Körperbau wie ein Metzger. Und ehrlich gesagt, jogge ich auch nicht gerne. Ich mache es, weil ich muss. Wenn ich nicht jogge, nehme ich sofort zu, eine unglückliche Veranlagung mütterlicherseits. Das waren alles stämmige Bauerntypen aus Osteuropa, Schottland und ein paar weiteren Regionen. Also bin ich jeden Morgen gegen sechs oder halb sieben durch die Straßen und auf den Wegen des Cold Spring Park getrabt, bis ich mein tägliches Pensum von drei Meilen absolviert hatte.
    Ich war fest entschlossen, das Joggen auch nach Jacobs Anklage nicht aufzugeben. Zweifellos hätten es die Nachbarn bevorzugt, wenn wir Barbers uns überhaupt nicht mehr hätten sehen lassen, besonders im Cold Spring Park. Ein wenig kam ich ihnen entgegen. Ich lief früh am Morgen, hielt mich von anderen fern und meinen Kopf gesenkt wie auf der Flucht, wenn mir ein anderer Jogger entgegenkam. Selbstverständlich lief ich niemals in der Nähe des Tatorts. Aber für meine eigene geistige Gesundheit hatte ich sofort beschlossen, an dieser Alltagsroutine aus dem Leben davor festzuhalten.
    Am Morgen nach dem ersten Treffen bei Jonathan gelang mir diese seltene, für mich eigentlich unmögliche Erfahrung eines richtig guten Laufs. Ich fühlte mich leicht und schnell. Meine Schritte hämmerten für einmal nicht auf den Boden, sondern ich fühlte mich – ich will hier nicht poetisch werden –, als ob ich fliegen würde. Mein Körper bewegte sich mit einer so natürlichen Leichtigkeit und raubtierhaften Geschwindigkeit fort, als könnte es gar nicht anders sein. Warum, weiß ich nicht, doch ich vermute, dass die Erhebung der Anklage meinen Adrenalinspiegel erhöht hatte. Ich lief schnell durch den Cold Spring Park. Es war kühl und feucht. Ich folgte dem Weg, der den Park umrundet, über Baumwurzeln und Felsen hüpfend und über Pfützen und Stellen mit feuchtem Schlamm springend, die im Frühling überall im Park zu sehen sind. Ich fühlte mich so wohl, dass ich an meinem üblichen Ausgang vorbeilief. Dabei hatte ich keinen festen Plan im Kopf, nur die Überzeugung, die bald zur Gewissheit wurde, dass Patz der richtige Mann war. Beim Parkplatz der Windsor Apartments verließ ich den Park.
    Ich sah mir den Parkplatz näher an. Ich hatte kein Ahnung, wo Patz’ Wohnung sich befand. Die Wohnhäuser waren dreistöckige Klötze aus roten Ziegeln.
    Ich fand sein Auto, einen verrosteten pflaumenfarbenen Ford Probe aus den neunziger Jahren. Das Auto passte zur Beschreibung in Patz’ Polizeiakte, eines von mehreren Details, die Duffy zu sammeln begonnen hatte. Das war genau der richtige Wagen für einen Kinderschänder, er war wie gemacht für ihn. Es fehlte das Fähnchen der North-American-Man-Boy-Association, aber sonst war es genau das Auto, das man von einem Typen wie ihm erwartete. Patz hatte seine Kiste mit einigen Harmlosigkeiten verziert: ein Teach-Children-Wunschkennzeichen und ein Aufkleber von den Red Sox und dem World Wildlife Fund mit seinem knuddeligen Pandabären. Beide Autotüren waren abgeschlossen. Ich formte meine Hände zu einem Trichter und schaute durch das Fenster auf der Fahrerseite ins Wageninnere: Es war blitzsauber, wenn auch abgenutzt.
    Am Eingang zum Wohnhaus, das dem Wald am nächsten lag, fand ich seinen Klingelknopf: Patz, L.
    In den Wohnungen regte sich Leben. Einige der Bewohner machten sich auf dem Weg zu ihren Autos oder gingen das kurze Stück zu Dunkin’ Donuts. Die meisten von ihnen waren in Arbeitskleidung. Eine Frau, die aus Patz’ Haus kam, hielt mir höflich die Tür auf, aber ich lehnte dankend ab. (Es gibt keine bessere Verkleidung für einen Vorortstalker, als sich gut rasiert in Joggingklamotten zu präsentieren.) Was sollte ich in dem Haus? An Patz’ Tür klopfen? Nein. Einstweilen noch nicht.
    In meinem Kopf entstand der vage Eindruck, dass Jonathans

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