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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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genetische Verhaltensmuster verdreht und von irgendwelchen schäbigen Anwälten mit verquasten wissenschaftlichen Theorien durchmischt wurden. Allein dieser zynische Wissenschafts-Speak, dessen einziger Sinn und Zweck darin bestand, Geschworene zu manipulieren und sie mit dem Schein wissenschaftlicher Erkenntnis zu blenden. Das Mördergen war nichts als eine Lüge. Ein Bluff der Anwälte.
    Es war auch ein subversives Konzept. Es untergrub das Fundament unserer Rechtsprechung. Vor Gericht wird der subjektive Tatbestand – die mens rea , die Schuld des Geistes, bestraft. Es gibt eine alte Regel: Actus non facit reum nisi mens sit rea , oder die Tat bedingt keine Schuld, wenn nicht auch der Geist schuldig ist. Deshalb sind Kinder, Betrunkene und geistig Behinderte vor dem Gesetz nicht strafbar. Sie sind nicht in der Lage, bei der Entscheidung für oder gegen eine Tat die volle Tragweite ihrer Handlung einzuschätzen. Der freie Wille ist dem Gesetz ebenso wichtig wie der Religion oder jedem anderen auf Werten basierenden System. Wir bestrafen auch Leoparden nicht für ihre Wildheit. Würde Logiudice diesen Begriff trotzdem ins Spiel bringen? »Kriminell veranlagt«? Ich war sicher, er würde es versuchen. Egal, ob der Begriff wissenschaftlich oder juristisch fundiert war oder nicht, er würde ihn den Geschworenen unter dem brüchigen Siegel der Verschwiegenheit einflüstern. Er würde einen Weg finden.
    Am Ende sollte Laurie recht behalten. Das Mördergen würde an uns haften bleiben, wenn auch nicht so, wie sie es erwartet hatte. Doch bei diesem ersten Treffen winkten Jonathan und ich, beide an der guten alten humanistischen Tradition geschult, ab. Wir lachten darüber. Doch hatte sich dieser Begriff in Lauries Gedankenwelt festgesetzt – und auch bei Jacob.
    Meinem Sohn fiel buchstäblich die Kinnlade herunter. »Könnte mir vielleicht jemand erklären, um was es hier geht?«
    »Jake«, hub ich an. Aber die Worte wollten mir nicht über die Lippen kommen.
    »Was denn? Ich will das jetzt wissen.«
    »Mein Vater sitzt im Gefängnis. Schon seit Langem.«
    »Aber du hast deinen Vater doch nie gekannt.«
    »Das stimmt so nicht ganz.«
    »Aber das hast du immer behauptet.«
    »Das stimmt, das habe ich. Es tut mir leid. Ich habe ihn niemals richtig gekannt, das stimmt. Aber ich wusste, wer er war.«
    »Du hast mich angelogen.«
    »Ich habe dir nicht die ganze Wahrheit gesagt.«
    »Du hast gelogen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Alle meine Gründe, alles, was ich als Kind empfunden hatte, erschien mit einem Mal lächerlich und unzureichend. »Ich weiß es nicht.«
    »Wahnsinn. Und was hat er angestellt?«
    Ein tiefer Atemzug. »Er hat ein Mädchen umgebracht.«
    »Wie? Warum? Wie ist das passiert?«
    »Ich möchte nicht darüber reden.«
    »Du möchtest nicht darüber reden? Ach was, du willst nicht darüber reden?«
    »Er war ein ziemlich übler Typ, Jacob. Belass es einfach dabei.«
    »Wie kommt es, dass du mir niemals davon erzählt hast?«
    »Ich wusste auch nichts davon«, warf Laurie sanft ein. »Ich habe es auch erst letzte Nacht erfahren.« Sie legte eine Hand auf Jacobs Schulter und schüttelte ihn leicht. »Es ist alles okay. Wir überlegen noch, wie wir damit klarkommen. Aber jetzt versuch dich zu beruhigen, okay?«
    »Das darf nicht wahr sein. Du hast mir nie davon erzählt! Das ist immerhin … mein Großvater! Wie konntest du nur? Für wen hältst du dich?«
    »Red nicht so mit deinem Vater, Jacob.«
    »Ist schon in Ordnung, Laurie. Er hat ein Recht darauf, entsetzt zu sein.«
    »Ich bin entsetzt.«
    »Ich habe dir und auch sonst niemandem davon etwas erzählt, weil ich Angst hatte, dass mich die Leute dann schief ansehen würden. Und jetzt mache ich mir Gedanken darüber, ob die Leute dich schief ansehen werden. Ich wollte das alles nicht. Eines Tages, vielleicht schon bald, wirst du das alles begreifen.«
    Er starrte mich an, die Erklärung reichte ihm nicht.
    »Ich wollte nicht, dass es dazu kommt. Ich wollte das alles hinter mir lassen.«
    »Aber es ist ein Teil von mir, Dad.«
    »So habe ich das nicht gesehen.«
    »Ich hatte ein Recht, es erfahren.«
    »Auch das habe ich nicht so gesehen.«
    »Ich hatte also kein Recht darauf? Etwas über meine eigene Familie zu erfahren?«
    »Du hattest ein Recht darauf, es nicht zu erfahren. Dein Leben als unbeschriebenes Blatt zu beginnen, das zu werden, was du werden wolltest, genau wie jedes andere Kind.«
    »Aber ich war nicht wie jedes andere Kind.«
    »Klar warst du

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