Verschwiegen: Thriller (German Edition)
keine Rolle, ob er dir glaubt oder nicht. Das ist bei Verteidigern so.« Ich zwinkerte Jacob zu.
»Und was ist vor Gericht? Was soll ich da machen?«
»Gar nichts«, erwiderte ich. »Du wirst vom Zeugenstand schön wegbleiben. Du sitzt neben deinem Verteidiger und stehst nur auf, um abends nach Hause zu gehen.«
»Ich glaube, das ist das Beste«, warf Jonathan ein.
»Aber wie kann ich dann meine Version der Geschichte erzählen?«
»Ich weiß nicht, ob du dir während der letzten paar Minuten zugehört hast – du kannst nicht in den Zeugenstand.«
»Und wie läuft dann meine Verteidigung?«
»Wir müssen keine Verteidigung aufbauen. Die Beweislast liegt nicht bei uns, sondern vollständig bei der Staatsanwaltschaft. Wir werden die Anklage auseinandernehmen, bis nichts mehr davon übrig ist, Jacob. Das ist unsere Verteidigung«, erklärte Jonathan.
»Dad?«
Ich zögerte. »Ich bin nicht sicher, ob das ausreicht, Jonathan. Wir können nicht einfach nur ein paar Einwände vorbringen. Logiudice hat den Fingerabdruck, er hat einen Zeugen, der von Jacobs Messer wusste. Wir müssen uns mehr ins Zeug legen, wir müssen den Geschworenen etwas liefern.«
»Und was schlägst du vor, Andy?«
»Ich glaube, wir brauchen eine eindeutige, klare Verteidigungsstrategie.«
»Mit Vergnügen. Und was fällt Ihnen dazu ein? So wie ich das sehe, weisen alle Indizien in eine Richtung.«
»Was ist mit Patz? Die Jury sollte wenigstens erfahren, dass er existiert. Wir liefern ihnen den wahren Mörder.«
»Den wahren Mörder? Und wie wollen wir das anstellen?«
»Wir heuern einen Privatdetektiv an, um was herauszufinden.«
»Was herauszufinden? Patz? Da ist nichts. Als Sie noch bei der Staatsanwaltschaft waren, hatten Sie die CPAC , die lokale Polizei, das FBI , den CIA , den KGB und die NASA zu Ihrer Verfügung.«
»Wir hatten immer weniger zur Verfügung, als ihr Verteidiger geglaubt habt.«
»Vielleicht. Aber immer noch mehr als jetzt, und trotzdem habt ihr nichts gefunden. Was soll ein einzelner Privatdetektiv ermitteln, wo ein Dutzend staatliche Polizisten gescheitert sind?«
Darauf fiel mir nichts ein.
»Schauen Sie, Andy, ich weiß, Sie wissen theoretisch, dass die Beweislast nicht bei der Verteidigung liegt, aber ich bin nicht ganz sicher, dass Sie es auch begriffen haben. Bei uns läuft das anders. Wir können uns unsere Mandanten nicht aussuchen, und wir können einen Fall nicht zu den Akten legen, weil die Indizien nicht ausreichen. Und wir müssen uns jetzt genau damit beschäftigten.« Er wedelte mit der Hand in Richtung der Akten. »Wir müssen mit den Karten spielen, die man uns gibt. Wir haben keine andere Wahl.«
»Dann müssen wir eben ein paar neue Karten finden.«
»Und wo?«
»Keine Ahnung. Im Ärmel.«
»Ich sehe, Sie tragen ein kurzärmeliges T-Shirt«, erwiderte Jonathan mit Genugtuung.
Fünfzehntes Kapitel
Detektiv spielen
Sarah Groehl saß bei Starbucks im Zentrum von Newton und hatte sich in ihren MacBook eingeloggt. Als sie mich bemerkte, rückte sie von ihrem Computer ab und entfernte die Kopfhörer, indem sie ihren Kopf erst auf die eine und dann auf die andere Seite neigte, wie Frauen, wenn sie ihre Ohrringe abnehmen. Sie tauchte langsam aus ihrer Webwelt auf und blinzelte mich schläfrig an.
»Sarah, hallo. Störe ich?«
»Nein. Ich habe gerade … ich weiß nicht.«
»Kann ich dich einen Moment sprechen?«
»Um was geht es?«
Ich warf ihr einen Blick zu. Na, was wohl . »Wir können auch woanders hingehen, wenn dir das lieber ist.«
Sie antwortete nicht sofort. Die Tische standen eng beieinander. Wie in einem Café üblich, taten alle so, als würden sie nicht zuhören. Doch machten der Ruf meiner Familie und Sarahs Unbeholfenheit ein Gespräch in Hörweite von anderen noch unangenehmer, als das sonst der Fall gewesen wäre. Ihr war es peinlich, mit mir gesehen zu werden. Vielleicht zögerte sie, weil sie auch Angst vor mir hatte. Ich schlug vor, uns auf die Bank auf der anderen Straßenseite zu setzen. Dort, dachte ich, würde sie sich zwar in Sichtweite, aber außerhalb der Hörweite von anderen wohler fühlen. Mit einer schnellen Kopfbewegung warf sie ihren Pony zur Seite und stimmte zu.
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Ich trinke keinen Kaffee.«
Wir setzten uns auf die grün gestrichene Bank auf der anderen Straßenseite. Sarah saß kerzengerade. Sie war nicht dick, aber auch nicht dünn genug für das T-Shirt, das sie trug. Aus ihren Shorts quollen kleine Rettungsringe.
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