Verschwiegen: Thriller (German Edition)
von oben angeschaut, stimmt’s?«
»Nein. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Jetzt, wo Sie das so beschreiben, habe ich mich, glaube ich, auf einem Knie abgestützt.«
»Derek hat dich kurze Zeit darauf in der Schule gesehen. Von einem nassen Fleck auf deiner Hose hat er nichts gesagt.«
»Dann stand ich vielleicht doch.«
»Gut, du standst also und schautest von oben auf ihn runter. Und dann?«
»Wie ich schon gesagt habe: Ich habe ihn auf den Rücken gerollt, um ihn mir anzusehen.«
»Hast du etwas zu ihm gesagt?«
»Ich glaub nicht.«
»Du findest einen Klassenkameraden, der mit dem Gesicht nach unten bewusstlos im Laub liegt, und du rollst ihn einfach auf den Rücken, ohne ein Wort zu sagen?«
»Nein, vielleicht habe ich etwas gesagt. Ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Als du am Fuß den Abhangs standst, hast du Hinweise auf ein Verbrechen bemerkt?«
»Nein.«
»Bens Wunden hatten am Hang eine lange Blutspur hinterlassen. Hast du die nicht bemerkt?«
»Nein. Ich meine, ich war völlig durcheinander.«
»Wie durcheinander? Was willst du damit genau sagen?«
»Keine Ahnung. Ich hab einfach Panik gekriegt.«
»Panik? Warum? Du sagst, du hättest nicht gewusst, was passiert war und dass ein Verbrechen geschehen war. Du glaubtest an einen Unfall.«
»Ich weiß, aber er lag einfach da. Das war unheimlich.«
»Als Derek dich kurz darauf sah, warst du aber nicht mehr durcheinander.«
»Doch, aber ich hab’s mir nicht anmerken lassen, ich war nur noch innerlich durcheinander.«
»Gut. Du hast also von oben auf den Körper geschaut. Ben ist tot. Er ist an drei Wunden in seiner Brust verblutet, und eine Blutspur führt den Hang zu ihm hinunter, aber du willst kein Blut gesehen haben und hattest keine Ahnung, was passiert war. Und du warst durcheinander, aber nur innerlich. Und dann?«
»Das klingt alles so, als würden Sie mir nicht glauben.«
»Ich will dir etwas sagen, Jacob: Es spielt keine Rolle, ob ich dir glaube oder nicht. Ich bin dein Anwalt, nicht dein Vater oder deine Mutter.«
»Schon, aber trotzdem. Mir gefällt nicht, wie das aus Ihrem Mund klingt. Das ist meine Geschichte. Und bei Ihnen klingt sie, als würde ich lügen.«
Laurie hatte während unserer Sitzung bislang kein Wort gesagt, aber jetzt meinte sie: »Jonathan, bitte hören Sie auf. Es tut mir leid, aber bitte hören Sie auf. Wir haben verstanden, was Sie sagen wollen.«
»Gut, Jacob. Deine Mutter hat recht«, entschied Jonathan etwas betreten. »Vielleicht machen wir an diesem Punkt wirklich besser Schluss. Ich wollte dich nicht kränken. Aber ich möchte, dass dir etwas klar ist: Deine ganze Geschichte hat vielleicht gut geklungen, als du sie dir überlegt hast und alleine in deinem Zimmer warst. Aber in einem Kreuzverhör klingen Dinge anders. Und ich versichere dir, was wir hier gerade veranstalten, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was Neal Logiudice mit dir anstellen wird, wenn du vor Gericht stehst. Ich stehe auf deiner Seite, er nicht. Ich bin auch ein ganz netter Typ, und Logiudice – na ja, er macht seinen Job. Jetzt wirst du mir als Nächstes erzählen, wie du es geschafft hast, deinen Arm unter einen Körper zu schieben, der mit dem Gesicht nach unten und aus drei Wunden blutend im Laub lag, und dabei einen einzigen Fingerabdruck an der Innenseite des Sweatshirts zu hinterlassen. Und deinen Arm ohne irgendeinen Blutfleck wieder herauszuziehen. Und als du dann einige Minuten später in der Schule ankamst, hat keiner irgendetwas Auffälliges bemerkt. Wenn du ein Geschworener wärst, was würdest du von der Geschichte halten?«
»Aber es stimmt alles. Die Details nicht, die haben Sie falsch erzählt. Er lag nicht völlig mit dem Gesicht im Gras, und er war nicht blutüberströmt. So war es nicht. Das sagen Sie alles, um mich zu verunsichern. Ich sage die Wahrheit.«
»Es tut mir leid, wenn ich dich gekränkt habe, Jacob. Ich will dich nicht verunsichern.«
»Ich schwöre, es ist die Wahrheit.«
»Gut, ich habe verstanden.«
»Nein, Sie behaupten, ich würde lügen.«
Jonathan gab keine Antwort darauf. Die letzte Rettung für einen Lügner ist, sein Gegenüber der Lüge zu bezichtigen. Und noch schlimmer, Jacobs Stimme hatte etwas Schneidendes, es lag eine leise Drohung darin oder die Angst eines Jungen, der den Tränen nahe ist.
»Ist schon gut, Jake. Jonathan macht nur seinen Job.«
»Ich weiß, aber er glaubt mir nicht.«
»Das ist schon in Ordnung. Er ist immer noch dein Anwalt, und es spielt
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