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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hatte und sie ans Ufer brachte. Zu ihrem Pech hatte der Wind gedreht, sodass sie noch einige Schläge benötigen
     würde, um Mörbisch zu erreichen.
    Sie hatte mal wieder den alten Fehler begangen und sich übernommen, sich zu viel zugetraut, den Wind und den See unterschätzt,
     obwohl der Surflehrer davor gewarnt hatte, besonders vor der kurzen, harten und die Kräfte zehrenden Welle des flachen Steppensees.
     Sie war längst keine dreißig mehr, sie hatte keine Kondition, die alte Spannkraft von damals, Ausdauer und Training, fehlten.
     Aber sie konnte sich verzeihen, denn es war nach vielen Wochen endlich wieder ein Tag auf dem Wasser, der erste von vielen,
     die sie herbeigesehnt hatte, mit nichts anderem beschäftigt sein als dem |31| Wind, den Wellen und mit sich selbst. Keiner wollte etwas von ihr, niemand belastete sie mit Dingen, die sie normalerweise
     tat, um ihr Geld zu verdienen und nicht unbedingt, weil sie getan werden mussten und die (allerdings nur bei ehrlicher Betrachtung)
     ihre Kräfte überstiegen. Aber wer konnte sich schon Ehrlichkeit leisten? Wer Schwäche eingestand, war verloren. Die Welt bestand
     aus Siegern – mittlerweile auch aus Siegerinnen, dachte sie, und die Anstrengung war für diesen Augenblick vergessen.
    Sie sah einen dunstigen Himmel, fühlte die leichte, frische Brise im Gesicht, die sie ein wenig vorwärts brachte und all den
     Muff, den Gestank und die überflüssigen Gedanken aus ihrem Kopf trieb, die sich in langen Monaten äußerster Anspannung angesammelt
     hatten. Das Schlimmste daran war das Gefühl der Leere.
    Und obwohl sie alles tat, diese Gedanken nicht an die Oberfläche gelangen zu lassen, die sie nach außen abschirmte, drückten
     sie doch von unten gegen die Kruste. Immer wieder nahm sie sich zu viel vor, überschätzte ihre Kräfte. Wann würde sie das
     kapieren? Außerdem war sie völlig aus der Übung. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit und absolut keinen Nerv fürs Fitness-Studio,
     nur Arbeit. Yoga wäre vielleicht hilfreich gewesen, aber das war was für esoterische Weiber, und außerdem fühlte Johanna sich
     dafür zu jung. Ihre einzige körperliche Anstrengung bestand darin, morgens die Beine aus dem Bett zu schwingen, den Müll mit
     runterzunehmen und auf Geschäftsreisen den Koffer durch Hotelhallen hinter sich herzuziehen. Und dann am ersten Tag gleich
     mitten auf den See – eigentlich Wahnsinn, was sie hier tat.
    Es war unverantwortlich. Jeden anderen, der sich so verhalten hätte, hätte sie zusammengestaucht: Stunde um Stunde auf dem
     Wasser, die Zeit vergessend, die Sonne vergessend, die Kraft des Windes unterschätzend. Weit hinauszufahren, ohne sich langsam
     an das unbekannte Revier zu gewöhnen, sich erst einmal eine Stunde hinauszubegeben, |32| den See zu testen, die Welle, das Brett, sich selbst auszuprobieren. Nein. Bloß weg, weg von den nervenaufreibenden Anforderungen,
     weg von den Zweifeln, die über ihr zusammenschlugen, die Magenschmerzen und Sodbrennen verursachten, wovon sie besser niemandem
     etwas sagte.
    Luft holen, Dampf ablassen, der Deckel war kaum noch draufzuhalten, so groß war zuletzt der Druck gewesen. Einfach in den
     Wind und die Wellen eintauchen, sich mitnehmen und reinigen lassen – geradezu sehnsüchtig hatte sie den Kitern nachgeschaut,
     die von ihren Schirmen mitgerissen durch die Luft segelten, mit dem kleinen Brett an den Füßen wieder aufsetzten und eine
     Gischtfahne hinter sich herziehend weiterrasten. Das war sicher noch packender als mit ihrem Sturmsegel bei sechs Windstärken
     übers Wasser zu gleiten, die Welle fast im Nacken. Sie würde das Kiten lernen, hundertprozentig. Es sollte nicht schwierig
     sein, aber anders als Windsurfen, eher wie Snowboarden, das hatte zumindest der Surflehrer vorhin am Hafen gesagt. Aber Snowboard
     fahren war was für junge Leute. In der Szene war sie nie gewesen.
    Ihre Arme waren schwer wie Blei, die Hände schmerzten, sie krampften sich um den Gabelbaum, da half Ausschütteln nicht viel.
     Die Beine zitterten wieder vor Anspannung. Sie fühlte sich heiß, hin und wieder fröstelte sie leicht, in ihren neuen Neopren-Anzug
     eingezwängt, den sie extra für die Reise gekauft hatte. Viel zu warm, sie brauchte einen ohne Arme und Beine. Aber so waren
     glücklicherweise nur Hals und Wangen verbrannt, die Hände glühten, vom Zupacken und von der Sonne. Sogar auf den Fußrücken
     fühlte sie den Sonnenbrand. Ihre Nase würde aussehen wie eine Tomate und sich

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