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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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pellen, obwohl sie sich mit Schutzfaktor 25
     eingerieben hatte. Ihr Haar, im Nacken zusammengebunden, war so dicht, dass die Strahlen nicht bis auf die Kopfhaut durchkamen.
     Und die Stirn ließ sich mit Wasser benetzen, es roch komisch, etwas brackig, und schmeckte leicht salzig.
    |33| Sie hatte sich vorhin zum Ausruhen aufs Brett gesetzt und das Segel auf dem Wasser liegen lassen. Gleich waren Surfer gekommen
     und auch ein Segler hatte Hilfe angeboten. Hilfe? Sich helfen lassen? In diesem See konnte man sogar in der Mitte stehen,
     er sollte nirgends tiefer als einen Meter sechzig oder siebzig sein. Der Surflehrer – oder war er der Besitzer der Surfschule?
     – hatte von einer so genannten Seedurchquerung zu Fuß gesprochen. Außerdem hätte sie ihre Schwäche niemals eingestanden. Sie
     hatte sich wieder aufgerafft.
    Zumindest hatte sie einen Fehler nicht begangen – einfach drauflos zu fahren. Mehrmals hatte sie sich die Silhouette des Ufers
     eingeprägt, die Namen der Orte am Ufer runtergeleiert, von Süden nach Norden: Mörbisch, Rust, Oggau, Breitenbrunn – die anderen
     Dörfer lagen weiter vom See entfernt   ... sie musste die richtige Zufahrt finden, denn das Ufer war überall mit Schilf bewachsen, ein Gürtel, an vielen Stellen
     bis fünf Kilometer breit, aber es gab Orientierungspunkte, die Kirchtürme und die Routen der Ausflugsdampfer, die den See
     kreuzten. Denen brauchte sie nur zu folgen. Der Süden war tabu, er gehörte zu Ungarn, und das Ufer hinter ihr im Osten gehörte
     zum Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel. Zu allem Unglück drehte der Wind noch weiter nach Süden, Johanna musste abfallen,
     was sie mindestens zwei weitere Schläge kosten würde.
    Müdigkeit und Erschöpfung zusammen mit dem Glücksgefühl, endlich mal wieder einen ganzen Tag für sich gehabt zu haben, versetzten
     Johanna in einen angenehmen Dämmerzustand, ein bisschen wie ein wohliger Schwips. Wäre sie nicht zum Umfallen müde gewesen,
     sie hätte ewig weiterfahren mögen, in die Abendsonne hinein, sich um nichts kümmern, alles vergessen, irgendwann an ein Ufer
     kommen, sich fallen lassen und schlafen   ...
    Sie verlor plötzlich den Halt auf dem Brett, ihr Fuß rutschte, sie glitt aus, hielt sich am Gabelbaum fest, riss ihn an sich
     und fiel rückwärts ins Wasser, über sich das Segel. Sie |34| geriet unter Wasser, schlagartig war sie wach, hielt die Luft an, mit drei Schwimmstößen hatte sie sich vom Segel befreit
     und tauchte prustend auf. Der Schreck brachte sie zurück in die Wirklichkeit. Nein, sie war nicht eingeschlafen, sie war nur
     ausgerutscht. Igitt, was war das Schleimige an den Füßen? Erschrocken zog sie die Beine an, streckte sie vorsichtig wieder
     aus, tastete, tatsächlich, sie hatte Grund unter den Füßen, sie konnte stehen.
    Der Hafen von Mörbisch, wo sie vor drei Stunden gestartet war, ließ sich an den Kulissen und Beleuchtungstürmen der Seebühne
     ausmachen. Den ›Graf von Luxemburg‹, den sie dort im Juli und August über spielten, würde sie sich ersparen, Lehárs Operetten
     waren ihr zu seicht und anspruchslos, lieber hätte sie ein Schauspiel gesehen, aber in Österreich zogen Operetten die meisten
     Besucher an. Das Land war ihr fremd, früher mal, in ihrer alten Zeit, da hatte sie den düsteren Dramatiker Thomas Bernhard
     gelesen, auf Carls Empfehlung hin, sie kannte das erschreckende Weltbild der Elfriede Jelinek, eines von Ernst Jandls wunderbaren
     Gedichten hingegen konnte sie noch immer hersagen.
    manche meinen
    lechts und rinks
    kann man nicht velwechsern
    werch ein illtum!
    Aber Operetten? Doch als Ansteuerungspunkt war die Seebühne ideal.
    Sie schaute auf die wasserdichte Uhr und dachte mit Schrecken, dass die Zuschauer für den ›Grafen‹ im Anmarsch waren. Hoffentlich
     kam sie nachher mit dem Wagen gut durch. Sie erreichte die schilffreie Bucht vor dem Hafen, es war noch einmal ein kurzer
     Schlag nach Norden erforderlich, und dann stieg sie fünf Meter vor dem Ufer vom Brett, schob es durch seichtes Wasser zum
     Strand, schälte sich bis zur |35| Hüfte aus ihrem schwarz-roten Neopren-Anzug, ließ sich ins Gras fallen und schloss die Augen.
    »Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht«, hörte sie jemanden sagen und sah zwischen zusammengekniffenen Lidern, wie sich
     ein gut gewachsener Dreißigjähriger mit langem, blonden Haar neben sie hockte. »Ich habe schon mit dem Fernglas nach dir Ausschau
     gehalten. Hätte sein können, dass etwas an

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