Verschwörung beim Heurigen
»Ich komme mit und gebe dir die ersten Stunden. Bei dir reichen drei oder vier, dann kannst du das. Und zum Üben brauchst
du keinen Lehrer.« Er müsse allerdings eine Vertretung für seine Schule auftreiben, was in der Hochsaison jedoch einfach sei.
Die Freaks rissen sich um Jobs, bei denen sie mit ihrem Hobby Geld verdienen könnten. »Auch gute Leute kriegt man billig.
Man muss den Jungs nur alles Mögliche versprechen. Aber du musst sie kontrollieren, sonst hängen sie nur cool ab und bandeln
mit den Mädels an ... «
Der Besucherstrom in Richtung Seebühne war versiegt, Johanna fand auf dem riesigen Parkplatz schnell ihren Wagen wieder, ließ
sich in den Sitz fallen und schlug die Tür zu, |40| um nicht noch länger die Melodien des »Grafen« hören zu müssen. Ihr schauderte bei dem Kitsch.
Der Weg nach Eisenstadt war auch ohne Navigationssystem zu finden: die Dammstraße zurück nach Mörbisch, durch den Ort, dann
nach rechts, in Rust nach links, durch St. Margarethen hindurch, immer geradeaus nach Eisenstadt, dann käme ein Kreisverkehr,
dahinter Baumärkte, Supermärkte, Gartenmärkte und welche für Tiernahrung ...
Der Weg zum Schloss Esterházy sei ausgeschildert, hatte Carl morgens erklärt. Auf einmal empfand sie den Gedanken, ihn zu
treffen, bedrückend. Nichts von dem, was sie den Tag über erlebt hatte, interessierte ihn. Sie konnte es ihm erzählen, er
hörte zu, aber ihre Begeisterung teilte er nicht. Und über Hans oder Hansi hielt sie besser den Mund. Allerdings waren Carls
Weinverkostungen für sie ähnlich langweilig. Während des Urlaubs würden sie tagsüber getrennte Wege gehen, niemand vermisste
den anderen – dann blieben nur die Abende, und sie dachte an Hansi – wieso hatte sie sich eigentlich auf Carls Vorschlag eingelassen,
im Burgenland Urlaub zu machen? Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Aber glücklicherweise gab es den See; und wieder kam ihr
der Surflehrer in den Sinn.
Scheinwerfer strahlten die Front des Schlosses an, in dunklem Gelb leuchtete die breite Fassade, von zwei Fensterreihen aufgelockert.
Der Einfall des Lichts betonte die Rund und Spitzbögen darüber auf dramatische Weise. Zwischen den beiden Fensterreihen zog
sich eine Reihe kleiner dunkler Nischen mit Büsten undefinierbarer Personen, sicher die Vorfahren der Esterházys aus der Zeit,
als aus den kriegerischen Reitern der Magyaren sesshafte Fürsten hervorgegangen waren, denn einige trugen eine Art Turban,
was bei der Dunkelheit nur undeutlich zu erkennen war. Sie verlieh dem mächtigen Bau eine Aura von Einsamkeit und herrschaftlicher
Größe. Nach rechts hin fiel der Schlosshügel leicht ab. Dort begann die Fußgängerzone, wo sich die Feriengäste |41| tummelten. Auch vor dem Schloss und an der Zufahrt zur Tiefgarage herrschte reger Betrieb. Autos stauten sich, wurden beladen,
man stieg ein und wieder aus, gestikulierend kamen Menschen vom Schloss und gesellten sich zu den Gruppen, die ausgelassen
debattierten.
Johanna hörte laute und heitere Stimmen, hörte das Lachen und sah die lebhaften Bewegungen der festlich gekleideten Menschen,
was die aufgekratzte Stimmung unterstrich. Feindselig, fast mit einem Gefühl von Herablassung, betrachtete sie die nächtliche
Szenerie. Insgeheim ärgerte sie sich, fühlte sich ausgeschlossen, nicht eingeladen, nicht dazugehörig, auch wenn sie gar nichts
mit dieser alkoholisierten Menge verband, denn dass es sich hier um Winzer oder ihre Gäste handelte, war klar. Mit alledem
hatte sie nichts zu tun. Aber Carl. Gleichzeitig beschlich sie eine diffuse Angst, sie hatte eine Ahnung, ein flaues Gefühl
im Magen. Ihr verging der Hunger, den sie bis jetzt gehabt hatte, sie schluckte.
Und im Halbschatten an den Pfeilern vor der Einfahrt stand er, der Mann, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet war, den
sie seit fünfzehn Jahren kannte – eingerahmt von zwei Frauen. Gut sah er aus, die beiden Frauen auch, die eine jung, die andere
stattlich, und Johanna spürte Groll in sich aufsteigen, als sie bemerkte, dass die drei in bester Laune waren und sich anscheinend
eine Menge zu erzählen hatten. Wahrscheinlich hatten sie getrunken.
»Hallo«, sagte sie kurz angebunden, als sie am Straßenrand hielt und er zum Wagen kam. »Bitte, steig ein ... «
»Johanna, ich möchte dir zwei reizende Damen vorstellen«, sagte er mit einer Stimme, die sie von ihm kannte, wenn er besonders
gut aufgelegt war, ausgelassen
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