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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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man von hier aus nicht sehen, es liegt etwas zurück im Schilf«,
     rief sie. Der Wind frischte auf, er wehte ihr fast die Worte aus dem Mund.
    Carl fühlte keine Schmerzen, die Pillen wirkten phänomenal, stattdessen fühlte er sich wie in Dämmwolle verpackt, das Gehirn
     leider auch. Carl glaubte zu lächeln, blickte sich nach Johanna um, die in seinem Kielwasser fuhr, und lachte.
    »Schau geradeaus   ... «
    Sie hatte wieder alles unter Kontrolle, aber es störte ihn nicht. Es war gut so; allein hätte er das nie gewagt. Auch hätte
     er nicht gewusst, wie er ins Haus kommen sollte, doch Johanna hatte ihn am Strand eingewiesen, nachdem sie Hansi ins Magazin
     gelockt und eingesperrt hatte. Sein Pech, dass er die Fenster hatte vergittern und die Wände mauern lassen, und sie hatte
     sowohl die Schlüssel als auch sein Handy. Außerdem war Fechter im Anmarsch und Karola entsprechend instruiert. Soweit Johanna
     wusste, hatte Hansi die Bodenklappe im Pfahlbau nicht repariert, und ein Schraubenzieher reichte ihrer Ansicht nach, um von
     unten reinzukommen. Sie hatten mehr als das, sie hatten ein Messer, zwei Schraubenzieher und eine Zange. Carl trug einen dämlichen
     runden Hut mit einer Strippe zum Zubinden und eine Sonnenbrille, nicht einmal Johanna hätte ihn erkannt, und sie hatten die
     Entführer im Gegensatz zu ihm nie gesehen. Sie musste so nah wie möglich an den Pfahlbau heran und die Männer ablenken, damit
     Carl von unten ins Haus käme, Ellen rausholen und mit ihr im Schilf verschwinden konnte. Das Letztere war ihm am unangenehmsten,
     doch nur das Unmögliche hatte Aussicht auf Erfolg. Auch ein Effekt der Pillen?
    Carl ließ sich treiben, während Johanna vorausfuhr, um die Lage zu peilen. »Bestens!«, rief sie, als sie dicht an ihm vorbeirauschte,
     »keiner auf der Terrasse. Neben dem Haus |383| führt ein Kanal ins Schilf, den nimmst du. Zuerst anluven, dann eine Wende nach rechts und eine nach links, dann bist du hinter
     dem Haus. Geht das – mit den Händen?«
    »Ich nehme die Füße«, sagte Carl, dem mittlerweile alles egal war, er wäre auch barfuß über Rasierklingen gelaufen. Er fühlte
     sich so wach wie nie und war noch nie so entrückt gewesen. Er hatte das Gefühl, in einem Buch zu leben, nichts war wirklich,
     alles waren nur Worte, die in seinem Kopf zu Bildern wurden. Das Haus, auf das sie zusteuerten, war nicht aus braun gestrichenem
     Holz, es war ein Foto, und er selbst war Teil der Aufnahme. Das Motorboot, das da vor der Veranda dümpelte, war es das, mit
     dem man ihn hatte umbringen wollen? Verdammt, wo war die Wirklichkeit, war sie das, was er vor sich sah?
    Er schaffte es in den Kanal, wendete wie vorgeschrieben, gelangte hinter den Pfahlbau und ließ das Segel ins Wasser. Jetzt
     musste er in die graue Flüssigkeit hineinsteigen, die letzten Meter unter die Plattform schwimmen oder waten. Vor dem Schlamm
     graute ihm, die Erinnerung an die schlimmste Nacht seines Lebens war fürchterlich. Wenn er sich vorstellte, dass er Teil einer
     Geschichte war und alles nur übersetzte, ging es, und er watete, bis der Schatten des Hauses ihn verschluckte. Über sich hörte
     er Stimmen und Schritte, jetzt kam Johanna vorn heran und rief nach Rita Hecht und fragte anschließend, ob dieses Haus Karola
     Angermann gehöre, sie müsse hier gewesen sein. Das würde Ellen sicher verstehen, Carl kletterte an den verfaulten Sprossen
     einer glitschigen Leiter zur Bodenklappe. Als beide Entführer auf der Plattform standen, rief er leise nach Ellen und kratzte.
     Er fand einen Spalt, schob den kleinen Schraubenzieher durch, der oben angenommen wurde. Ellen war Winzerin, sie konnte mit
     Werkzeugen umgehen und wusste, was zu tun war. Der Beschlag für den Riegel war fast durchgerostet, das Holz um die Schrauben
     verrottet, und den Schraubenzieher wie ein Stemmeisen nutzend ließen sie sich aus dem Holz reißen.
    |384| Johanna ging den Männern vorne mächtig auf den Wecker. Sie war ins Englisch übergegangen und wiederholte ihre Fragen, lamentierte,
     schrie mehr, als dass sie redete, Carl sah zwischen Wasser und Plattform nur das Surfbrett und ihre Beine und dass sie anlegte.
     Mist verdammter, irgendwas ging immer schief, sie hatten vergessen, ein Zeichen für den Rückzug zu vereinbaren. Wie konnte
     er ihr signalisieren, wenn Ellen draußen war? Der Riegel plumpste ins Wasser, Carl hielt die Luft an – nichts geschah, Johanna
     nervte weiter, lautstark und penetrant, sie war großartig.

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