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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ablehnte, sie würde sich verstecken, um Kritik aus dem Wege zu gehen. So simpel, wie sich das ein kleiner
     Übersetzer vorstellte, war das Leben eben nicht. »Diskretion ist in meiner Branche ein Gesetz, Hansi, anders kämen wir gar
     nicht voran.«
    »Ich meine das ernst. Auch deinem Mann gegenüber kein Wort.« Er strich sich nervös das Haar aus der Stirn, stand auf, ging
     zum Kühlschrank und holte zwei Flaschen Bier.
    Johanna nickte. »   ... für mich ein Glas. Ich trinke nie aus der Flasche. Und mach dir keinen Kopf, Hansi, Geheimhaltung gehört zu den Grundlagen
     meiner Arbeit.«
    »Wenn von meinem Projekt was durchsickert, wenn ein Konkurrent davon Wind bekommt, bin ich erledigt. Die Leute halten zusammen,
     und du weißt, ich bin nicht von hier. Das ist hier nicht nur Vetternwirtschaft. Die sind zusammen zur Kommunion gegangen.
     Die haben einen Bruder bei der Baubehörde, der Nachbar von der Schulbank arbeitet beim Umweltamt, und der Sachbearbeiter der
     Kreditvergabe ist ein Cousin von irgendwem – und natürlich ein Parteifreund, oder beim Gewerkschaftsbund.«
    »Das weiß ich alles, Hansi«, Johanna fühlte sich bevormundet, »das ist in Deutschland nicht anders. Weder die Konkurrenz noch
     die Gegner, die unsere Projekte vor Gericht bringen, dürfen das Geringste erfahren. Sie könnten ihre Verhinderungs-Strategie
     darauf abstellen. Wir müssen irreversible Fakten schaffen.«
    »Was für   ... äh   ... Fakten?«
    »Sachverhalte, die nicht mehr umzukehren sind, also etwas erreichen, bei Behörden zum Beispiel, wodurch sie im Falle eines
     anders lautenden Urteils bei gerichtlichen Einsprüchen Ärger bekommen und was bei Ablehnung hohe Kosten verursacht. Davor
     haben sie mehr Angst als vor Bürgerprotesten, weil es ihrer Karriere schadet. Da muss man es hindrehen.«
    »Bist du doch Anwältin?«
    |120| »Nein, aber man lernt. Meine Evaluierungen, meine Gutachten, müssen justitiabel sein, das heißt: vor Gericht standhalten.
     Man muss die Toleranzen der Vorschriften und Normen bis ans Limit ausnutzen, das ist bei Bauvorschriften nicht anders als
     im Umweltrecht oder bei Steuern. Es ist wie ein Gummiband, es darf nur nicht reißen.«
    »Mein Projekt ist deshalb heikel, weil wir in einem ›sensiblen Gebiet‹ liegen, wie sie’s nennen. Es gibt Vorschriften, das
     kannst du dir gar nicht vorstellen. Da wird einem sogar vorgeschrieben, mit welchen Mitteln das Holz der Pfahlbauten im Schilfrand
     imprägniert wird.«
    »Vorschriften sind dazu da, sie zu umgehen«, meinte Johanna lakonisch. »Die Behörden überschlagen sich beim Erfinden von Verordnungen,
     dadurch beweisen sie den Sinn ihrer Existenz. Inzwischen kommt europäisches Recht dazu. Aber die Harmonisierung, wie sie es
     nennen, ist glücklicherweise die Senkung des Standards nach unten, die neuen Gesetze sind durchweg nicht so hart wie nationales
     Recht.«
    »Ich weiß«, sagte Hansi, »beim Wein habe ich das mitbekommen, eine riesige Debatte. Aber das gefällt mir nicht. Europa importiert
     U S-Weine , die bis zu 17   Prozent gezuckertes Wasser aufweisen. Die Amis brauchen das nicht einmal aufs Etikett zu schreiben. Da bleibe ich bei unserem
     Wein.«
    »Brauchst ihn ja nicht zu kaufen«, sagte Johanna barsch und merkte, dass er dort, wo es nicht um seine Interessen ging, radikale
     Töne anschlug. Aber schließlich war er Österreicher und damit stolz auf die Weine seines Landes.
    »Beim Wein finde ich es eine Sauerei. Da wird auch Säure zugesetzt oder Zucker hineingegeben, wie in Frankreich. Neuerdings
     brauchst du den Wein auch nicht mehr in Barrique zu geben, schmeißt einfach ein Pulver rein, schmeckt dann so, na – wem’s
     gefällt   ... «
    »Die Brüsseler Beamten sorgen sich glücklicherweise mehr um die Wirtschaft als um die Protestler, Hansi. Um die |121| großen Unternehmen geht es, Konzerne, für die wird Europa eingerichtet, Handelskonzerne sind wichtig, die verdienen Geld,
     darauf kommt es an, nicht auf die kleinen Winzer; die verschwinden bald alle.«
    War das bereits zu viel für Hansi, oder hatte ihm das Gesagte nicht gefallen? Jedenfalls schaute er böse. Sie erinnerte sich
     auch an Carls lächerliche Einwände bei ihrem ersten grenzüberschreitenden Industrieprojekt. Seine Worte hatte sie nicht vergessen:
     »Die Betreiber scheren sich einen Dreck um die Bevölkerung. Und deine Europapolitiker legen nicht den geringsten Wert auf
     Rückhalt bei den Wählern; keiner kennt sie mehr, keiner wählt sie.

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