Verschwörung beim Heurigen
... äh, Mord hätte sein können?«
|112| 6
»Kanntest du diese ...?« Johanna griff Hansi über die Schultern und blätterte in der Zeitung zurück. Sie tat, als suche sie nach den Namen der
Winzerin. »Verunglückte?«– so jedenfalls stand es in der Überschrift, mit einem Fragezeichen versehen.
»Maria Sandhofer? Ja, sie war ziemlich bekannt.«
»Was anderes gibt es bei euch ja auch nicht«, murmelte Johanna beleidigt. »Ach, die Surflehrer hätte ich fast vergessen.«
Sie stützte sich auf Hansis Schulter, seine Nähe war ihr angenehm, der Mann roch nach gebräunter Haut, nach Sonne und Wind.
Sie streifte sein Ohr mit ihrer Wange.
»Kennen wäre zu viel gesagt«, Hansi lehnte sich zurück, sodass Johanna sich seiner Bewegung anpassen musste. »Mal gesehen,
man kennt sich halt, zumindest die Berühmten, die was vorzuweisen haben. Das Burgenland ist winzig. Knappe 80 000 Einwohner.«
»Und – hatte sie das?« Johanna bemerkte ihren Unwillen. Dass diese Maria berühmt gewesen sein soll, gefiel ihr nicht, es passte
nicht in ihre Vorstellung von Carl, dass sich eine berühmte Frau in ihn verlieben könnte. Was war denn schon an ihm? Gleichzeitig
fragte sie sich, weshalb sie ihn innerlich runtermachte. Wieso war er ihr dann nicht gleichgültig?
Johanna betrachtete Marias Foto: jung, Anfang dreißig, blond, sicher getönt, denn der Haaransatz war dunkler. Oder lag das
am Foto? Das kurze, strähnig geschnittene Haar fiel ihr |113| in die Stirn, bedeckte knapp die Ohren und reichte im Nacken bis über den Kragen. Braune Augen, freundlich, versonnen, ein
leichtes Lächeln. Johanna hielt mit der Hand die linke Gesichtshälfte zu, da wirkte diese Maria offen, froh und aufgeschlossen.
Tat sie dasselbe mit der anderen Gesichtshälfte, wirkte sie nicht gerade ängstlich, aber doch zurückhaltend und in sich gekehrt.
Johanna wehrte sich zornig dagegen, dass ihr diese Frau sympathisch sein konnte, und gegen jede Art von Mitleid. Es war Marias
Schuld, dass sie jetzt am Neusiedler See war, dass Carl sie hierher gelotst hatte und ihre Ehe zerstörte (dass sie selbst
längst dabei war, es zu tun, verdrängte sie schnell). Aber eine Befriedigung über den Tod der Frau wollte sich auch nicht
einstellen. Es war ihr egal, so gleichgültig wie ein Bombenanschlag irgendwo auf der Welt.
Jünger war diese Maria, mindestens zehn Jahre, eine einzige Falte am rechten Mundwinkel hatte sie, aber nur, weil sie beim
Lächeln den Mund verzog. Auch der Hals war glatt, und unwillkürlich strich sich Johanna mit der Hand über Kinn und Hals. Die
Sonne tat ihrer Haut gut, sie musste darauf achten, dass sie nicht austrocknete.
Ihre gute Laune bröckelte, sie löste sich von Hansi, zog die Seiten mit dem Bericht aus dem Papierwust des Boulevardblattes
und verzog sich damit an den Tisch. »Mach mir einen Cappuccino. Ich kenne die Maschine nicht.«
»Dann lern das«, antwortete Hansi, der den Sportteil ohne aufzublicken sortierte, dann aber quälte er sich doch hoch, nahm
die Zeitung mit und las neben der Maschine im Stehen weiter. Carl hatte niemals in den Sportteil geschaut.
»Geht einfach. Einschalten, das Sieb mit dem Griff mit Kaffee füllen, der ist hier rechts in der Dose ... «
Johanna hörte nicht zu, sie starrte auf das sich wiegende Schilf. Kam Carl ins Alter, in dem er sich für jüngere Frauen interessierte?
War sie nicht mehr attraktiv? Ging es um nichts anderes? Wäre er fünfzig gewesen, hätte sie es sich vorstellen können, doch
er hatte ihr niemals Anlass zu einer |114| derartigen Vermutung gegeben. Aber schliffen sich nicht alle Beziehungen ab? Der Reiz der ersten Jahre war lange dahin, der
Rausch seit Ewigkeiten vorbei. Diese jungen Dinger ohne Lebenserfahrung ließen sich von älteren Männern einwickeln, die glaubten
dem Geschwätz, oder sie taten so; wahrscheinlich war das Geld der entscheidende Faktor. Aber nicht bei Carl, dachte sie gehässig,
der hat nichts. Oder diese Maria hatte einen Vaterkomplex gehabt, aber dafür war Carl nicht der Typ. Die schwierigen Jahre,
die des Aufbaus, der gemeinsam gelösten Probleme, die harte Zeit, in der man wenig hatte und sich viel verkniff, immer mit
Blick in die Zukunft, diese Jahre ließen sich auf diese Weise umgehen.
Wer weiß, was Carl ihr aufgetischt hatte. Er könnte nie eine Frau ernähren – wahrscheinlich hatte ihn die Winzerin deshalb
gereizt, sie hatte Geld. Eigentlich muss ich dieser Maria dankbar
Weitere Kostenlose Bücher