Verschwörung beim Heurigen
|126| Couch im Wohnzimmer und schlief, auf dem Tisch daneben eine fast geleerte Flasche Wein. Johanna nahm sie in die Hand. War
es wieder eine von dieser Maria? Erleichtert las sie den Namen eines Mannes auf dem Etikett: Martin Pasler. Leise stellte
sie die Flasche zurück, hielt inne und nahm sie mit in die Küche, um sich ein Glas zu holen, und drehte sich noch einmal nach
Carl um.
Schutzlos wirkte er, nackt wie er war – merkwürdig vertraut und fremd zugleich. Deshalb war es ihr lieb, dass sie sich nicht
zu ihm legen musste. Sie musste an den Mann denken, mit dem sie den Abend verbracht hatte. Er nahm ihre Sinne gefangen, daran
wollte sie sich erinnern, diesen Eindruck mit in den Schlaf nehmen. Sie ging zu Carl und zog das Laken über ihn, in einer
Mischung aus Gewohnheit und Mitleid. Oder war es Selbstmitleid?
In der Küche herrschte Chaos. Ganz im Gegensatz zu sonst hatte Carl nicht aufgeräumt. Er musste ziemlich durcheinander sein.
Ob er etwas ahnte? Oder hatte der Tod dieser Winzerin ihn derart mitgenommen? Was hatte sie ihm bedeutet? Kein Wort verlor
er darüber und gab auch nicht zu, dass er ihretwegen hergekommen war. Aber es war so gewesen, und das war der eigentliche
Betrug. Den würde sie ihm heimzahlen.
Trotz der Unordnung bemerkte sie, dass er Küchengeräte gekauft hatte. Ein neues Schneidebrett, einen Schneebesen für seine
Soßen, ein kleines Küchenmesser, einen Sparschäler und eine Pfanne, weil er sich gleich bei der Ankunft über den miserablen
Zustand des vorhandenen Exemplars ereifert hatte. »Egal wo du hinkommst, die Küchen der Ferienwohnungen sind immer mit dem
Schrott ausgerüstet, den die Vermieter in der eigenen Küche nicht mehr brauchen.« Also hatte Carl auch hier von der Küche
Besitz ergriffen – auf der Anrichte lag sogar ein aufgeschlagenes Kochbuch der Burgenländischen Küche. Rindsfilet auf Pfefferrahmkraut
mit Erdäpfel-Speck-Roulade. Nicht schlecht. Dafür gab er Geld |127| aus, zum größten Teil das Geld, das sie verdiente, und ihr Ärger steigerte sich. Zu dem Gefühl, betrogen worden zu sein, kam
das Gefühl, ausgenutzt zu werden. Was spielte das für eine Rolle, ob der Boden der Pfanne flach auf der Heizplatte auflag?
Sie duschte lange, rieb sich mit einer After-Sun-Lotion ein, massierte sich einen Sonnenschutz ins Haar und überlegte, welchen
Lippenstift sie morgen benutzen würde. Als sie wieder in die Küche kam, sah sie den Zettel, den Carl ihr hingelegt hatte:
Johanna! Du sollst morgen um zehn Uhr bei der Polizei in Eisenstadt sein. Man will dich »einvernehmen«. Gute Nacht.
Dann stimmte es also doch, was er gestern gesagt hatte, sie hing auch mit drin. Es war ihm tatsächlich gelungen, sie in seinen
Schlamm hineinzuziehen. Ängstlich und wütend zugleich wollte sie ihn wecken, ihn zur Rede stellen, aber als sie ihn dort zusammengerollt
liegen sah, schlafend wie ein kleiner Junge, wandte sie sich mit nassen Augen ab, sie schluckte. Verletzt hatte er sie, zutiefst
verletzt. Oder weinte sie um das, was sie gerade verlor?
»Es ist wichtig, dass Sie uns alles sagen, was Sie wissen, Frau Breitenbach!« Der Mann, den sie für den Chefinspektor hielt,
schenkte Kaffee ein und schob ihn Johanna über den Tisch. Sie dankte es ihm mit einem Verhandlungslächeln.
»Worüber soll ich Ihnen alles sagen, Herr ...?«
»Chefinspektor, Chefinspektor Herrndorff, Wien«, fügte er wichtigtuerisch hinzu, als ob es von besonderer Bedeutung wäre.
»Das dort ist Inspektor Fechter.« Er wies auf den jüngeren Mann neben der Tür, der Johanna eingangs begrüßt hatte. »Ich ermittle
jetzt im Fall Sandhofer. Inspektor Fechter arbeitet mit mir!«
Zu viel Essen, zu viel Wein, ein bisschen schwabbelig, keine Bewegung, dachte Johanna, blasiertes Grinsen und überzogen in
seinen Gesten wie ein abgehalfterter Schauspieler |128| . Das Gesicht des Chefinspektors wirkte geleckt, parfümiert, er lehnte sich im Schreibtischsessel zurück und breitete die
Arme aus. Johanna brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wieso die Nazis hier so freudig aufgenommen worden waren.
Der Anstreicher war einer von ihnen gewesen. Wenn die Zeiten schlechter wurden, dann würden all die kleinen Speichellecker
ihr
coming out
haben und es genießen. Wieso hatte Carl gemeint, er sei von zwei jüngeren Männern verhört worden? Auf den an der Tür passte
die Beschreibung, ein mickriger Stiesel, aber nicht auf ihr Gegenüber. Der war
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