Verschwörung beim Heurigen
Frauen dieses Schlages wenig
Erfahrung hatte, offenbar hatte er noch nie von derartig hohen Beraterhonoraren gehört.
Johanna hielt ihr Lachen zurück. Wozu ihn verärgern? Bei selbstbewussten Frauen strichen viele Männer kleinlaut die Segel,
und das war keinesfalls ihr Ziel, im Gegenteil, dazu waren er und sein Surfcenter viel zu attraktiv. Ein wenig Gewöhnungszeit
musste sie ihm lassen, außerdem wurde ihr immer flau, wenn er ihr nahe kam; das nervte und machte sie unsicher, und sie reagierte
aggressiv. Diese verdammten Gefühle – nichts als Aminosäuren – brachten sie durcheinander. »So krass war das nicht gemeint«,
sagte sie diplomatisch |124| , »du hilfst mir, und ich helfe dir, und dann sehen wir, was dabei herauskommt. Einverstanden?«
Hansi überspielte seine Verwirrung und schaltete die Espressomaschine ein.
Die Zeitung mit Maria Sandhofers Foto ließ Johanna nicht los. »Weshalb wird eine so junge Frau ermordet?« Sie schaute auf
die Uhr und dachte an Carls Verhör bei der Polizei. Sollte er doch zusehen, wie er da rauskäme, sie beschloss, keinen Finger
für ihn zu rühren.
»Beschäftigt dich wohl sehr, was? Aber wieso redest du immer von Mord? Hier wird so schnell niemand umgebracht, nicht umsonst
nennen wir unser Österreich ›die Insel der Seligen‹, da haben wir charmantere Methoden ... «
Für eine Sekunde horchte Johanna auf. Es waren nicht seine Worte, die sie hellhörig gemacht hatten, es war das Selbstgefällige
darin.
» ... nicht wahr? So wie ich dich verstanden habe, geht es in eurem Werkl auch knallhart zu. Aber man muss ja nicht gleich jemanden
faschieren, wenn er nicht spurt.«
»Faschieren?«
»Hackfleisch draus machen. Diese Winzerin – es ist gar nicht klar, dass sie ermordet wurde, das hat nur ein deutscher Feriengast
behauptet, wie die ›Krone‹ schreibt. Der muss man nicht alles glauben, und dann ist es noch die Frage, was dieser Urlauber
damit zu tun hat.« Hansi rümpfte die Nase.
Dieser Urlauber war ihr Ehemann! Johanna schluckte. Um sich die Tragweite dieser Worte nicht plastisch vor Augen führen zu
müssen, griff sie nach dem Braunen, dem Mokka mit drei Tropfen Milch, den Hansi ihr vor die Nase stellte, nur unglücklicherweise
verbrannte sie sich die Zunge.
»A schöne Leich wird sie allemal abgeben«, sagte er in breitestem Wienerisch und betrachtete das Foto. »Was weiß denn ich,
in was für Geschäfte die verstrickt war. Aber Mord? Und wenn, dann fassen ihn die Kibara bald. Na, allerdings, |125| bei den Krautwochtan hier, den Bauerntölpeln, kann es schon eine Weile dauern, außer es waren welche aus dem Osten. Die kriegen
sie nie.« Wieder lachte er selbstgefällig. »Zack, über die Grenze. Die meisten Kellereien sind Familienbetriebe und beschäftigen
billige Arbeiter aus Tschechien oder Kroaten, Serben weniger, aber Ungarn, und Albaner so gut wie nie. Die k. u. k. Monarchie
lebt halt wieder auf, mit unserem Bundeskanzler als König. Schlepperbanden sind jede Nacht unterwegs. Doch dass es mit denen
was zu tun hat, glaube ich eher nicht. In was wird so ein fesches Mädel schon verstrickt sein? Ein Mord aus Leidenschaft höchstens,
ein Techtelmechtel!«
Während Johanna um Fassung rang und sich die Erkenntnis vom Leib halten wollte, wie tief Carl tatsächlich in die Sache verwickelt
war, räumte Hansi den Schreibtisch auf, bezahlte Hilfslehrer und verschloss den Pavillon, nachdem er die Fensterläden zugeklappt
und von innen verriegelt hatte. Die Tageseinnahmen steckte er in die Brieftasche.
»Wir sollten besser gehen«, schlug Johanna vor. Bald würden die ersten Operettenklänge von der Seebühne herüberschallen. »Wie
kannst du bei dem Lärm schlafen?«
»Erstens mag ich das, und wenn ich mal zum Schlafen herkomme, ist hier alles still. Probieren wir es aus?«
»Vorher lade ich meinen armen Lehrer zum Essen ein, als Vergeltung für den Unterricht ... «
In ihrem Ferienapartment roch es bedeutend besser als aus der Küche des Heurigen, wo sie mit Hansi eine Brettljause genossen
hatte. Selchfleisch und Selchwürstl mit Kren waren auf einem Holzbrett gebracht worden, dazu verschiedene Käsesorten und Aufstriche.
Das frische, selbst gebackene Brot allerdings war köstlich gewesen. Aber bei Carl roch es nun mal besser. Er hatte also gekocht,
was er meistens tat, und sei es nur, um sich nach einem langen Tag mit der Nase am Bildschirm zu entspannen. Jetzt lag er
gekrümmt auf der
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