Verschwörung beim Heurigen
älter.
In der ersten Viertelstunde der Einvernahme, wie der Chefinspektor das Verhör nannte, wurden Personalien aufgenommen und die
Frage des augenblicklichen Wohnorts und der Erreichbarkeit geklärt. Er hatte sie nicht darauf hingewiesen, dass sie nicht
aussagen müsste, falls ihr Mann beschuldigt würde, das hatte dieser Fechter getan und von Herrndorff dafür einen bösen Blick
geerntet. Der nutzte jede Gelegenheit, Johanna Komplimente zu machen, und bezog sich dabei ständig auf ihr Alter, was natürlich
auch in dem Sinne »für Vierzig noch recht passabel« interpretiert werden konnte. Besonderes Interesse rief ihr Beruf hervor.
Umweltingenieurin, das war für den Chefinspektor Neuland, und er ließ sich ausführlich erklären, was es damit auf sich hatte
und ob eine Beziehung zum Weinbau bestand. Johanna erklärte klar und frostig, dass der Wein das Thema ihres Mannes sei, und
schloss mit den Worten: »Jetzt sind Sie an der Reihe, Herr Herrndorff. Was soll das hier? Weshalb bin ich vorgeladen?«
»Gnädige Frau, wir haben Sie nicht vorgeladen, sondern Ihren Gatten gestern gebeten, Ihnen auszurichten, doch bitte bei uns
vorbeizuschauen.«
»Läuft das nicht aufs selbe hinaus?«
»Keineswegs. Schauen Sie, Ihr Mann hat die Tote gefunden. Er hat die Polizei alarmiert. Und erst viel später hat er – |129| als Einziger übrigens – davon gesprochen, dass es sich im Fall des Ablebens von Frau Maria Sandhofer, davon wird er Ihnen
ja sicherlich erzählt haben, möglicherweise um ein gewaltsames Ende, also ein von außen – von einem Dritten – verursachtes
Einwirken gehandelt haben könnte.«
»Weiß ich, er war vollkommen aufgelöst in jener Nacht, ich bin erst spät gekommen. Es hat ihn schockiert, er hat noch nie
eine Leiche gesehen. Er erzählte, er hätte jemanden weglaufen sehen, einen Mann.«
»Machen Sie nicht gemeinsam Urlaub?«
Johanna stutzte. Hatte sie etwas überhört? »Wieso?«
»Na, weil Sie erst spät in Ihr Apartment zurückgekommen sind. Soweit wir wissen ... «, der Chefinspektor blätterte in Papieren, die Johanna für Protokolle hielt, » ... sind Sie erst zwei Tage vorher eingetroffen.«
»Ich war Surfen, in Mörbisch am See ... «
»Bis tief in die Nacht? Sie sind um 22.30 Uhr im Apartment eingetroffen, Ihr Mann eine Dreiviertelstunde vorher.«
»Woher wissen Sie das?« Johanna war perplex. Die Polizei hatte anscheinend schnell gearbeitet, oder wusste sie das von Carl?
Sie würde sich mit ihm wohl oder übel absprechen müssen, obwohl ihr das nicht passte.
»Es hat eine Auseinandersetzung gegeben, auf der Terrasse Ihrer Ferienwohnung. Worum ging es da?«
»Sagen Sie mal, Herr ... werde
ich
hier verdächtigt oder Carl?«
»Weder noch. So leid es mir tut, gnädige Frau, einigen Routinefragen müssen wir uns ... «
»Was geht Sie das an?«, unterbrach sie ihn. » Ich sehe das als was völlig Normales, dass man mal Meinungsverschiedenheiten
hat.« Es kam zu heftig, als dass der Chefinspektor ihre Erregung überhören konnte.
»Das ist es, durchaus, nur in diesem Fall geht es möglicherweise um ein Gewaltverbrechen. Sie können uns helfen, so wie Ihr
Mann uns geholfen hat ... «
|130| Johanna sah rasch zu dem Beamten an der Tür hin, um an seinen Reaktionen zu erkennen, ob es sich tatsächlich so verhielt,
aber der betrachtete stoisch seine Fingernägel. Eigentlich konnte sie es sich nicht vorstellen, dass Carl ihm geholfen hatte,
bei seinem gespannten Verhältnis zu jeder Art von Autoritäten. Bei ihr war es früher nicht anders gewesen, und die Erinnerungen
an die Festnahmen nach Sitzblockaden in Mutlangen und Gorleben kamen wieder in ihr hoch. Hier ein Schlag, dort ein diskreter
Fußtritt, einer der Bullen hatte ihr ein Bein gestellt, und sie war »auf Grund von Selbstverschulden« zufällig aus einem V W-Bus gefallen.
»Sie brauchen natürlich nichts zu sagen, falls Sie sich belasten sollten oder Ihren Mann ... «
Johanna zuckte lediglich mit den Achseln. »Belasten? Womit?«
»Also? Worum ging es bei Ihrem Streit – oder möchten Sie nichts weiter dazu sagen?«
»Mein Mann hat sich aufgeregt, dass ich so spät kam.« Unwillig warf Johanna ihr Haar zurück.
»Da haben wir was anderes gehört. Sie, gnädige Frau, Sie sollen laut geworden sein.«
»Wer hat das gesagt?«, fuhr Johanna auf. »Carl?«
»Das spielt keine Rolle. Wir gleichen lediglich Aussagen miteinander ab.«
»Bespitzeln Sie Feriengäste?«,
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