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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wird?«
    »Dann verliert man die Ernte und damit alles.«
    Sie fuhren weiter. »Öko-Weinbau bedeutet weniger Schädlingsbekämpfung als vielmehr Stärkung der Pflanze und des gesamten Umfeldes.
     Der Weingarten ist ein Ökosystem wie eine Gesellschaft, alles wirkt zusammen, jede Senke darin hat ihre Besonderheiten und
     ihr Mikroklima. Es kommt auf den Boden an; viele Steine speichern die Hitze tagsüber und geben sie nachts ab, was den Weinberg
     insgesamt wärmer macht und für gleichmäßigere Temperaturen sorgt – manche |139| Rebsorten bevorzugen das, andere wieder den großen Tag- und Nacht-Unterschied. Ein oder zwei Grad machen viel aus. Rund um
     den See haben wir sogar dreifache Sonne: von oben, vom See und vom Stein.«
    Sie waren inzwischen oberhalb der Landstraße angelangt. Hier war der Boden mal hell, mal dunkel, mal mit Muschelkalk durchsetzt,
     dann war es gelblicher Schiefer oder schwerer Ton. Carl sah es erst, nachdem die Winzerin ihn darauf aufmerksam gemacht hatte.
    »Unsere Kunst besteht darin, die Rebe auf den richtigen Bodentyp zu bringen. Sauvignon Blanc braucht zum Beispiel warme Lagen
     mit nicht zu trockenem Boden, also keinen Sand, dafür etwas Lehm, der die Feuchtigkeit hält, so wie hier. Chardonnay wiederum
     braucht mehr Kalk.«
    Hatte Carl bislang die Erklärungen mehr oder weniger über sich ergehen lassen, so horchte er bei »Chardonnay« auf. Er erinnerte
     sie an den Abend. Wäre interessant, was diese Frau daraus machte, denn für eine Blenderin hielt er sie keineswegs.
    »Den hat jeder hier, wir probieren ihn nachher. Der Chardonnay, zum Beispiel, wird vom Traubenwickler angegangen. Im Frühstadium
     schädigt er das Geschein, also die Traube im Stadium der Blüte, später die Beeren, in denen sich Pilze festsetzen. Um die
     Art des Wicklers zu bestimmen, stellen wir Fallen mit Sexuallockstoffen auf, die Männchen fallen darauf rein.«
    Wie beim Menschen, kam Carl in den Sinn, und er dachte an Johanna, die sich heute Morgen entsetzlich parfümiert hatte, geradezu
     abschreckend.
    »Von der Art und der Zahl des Wicklers schließen wir auf den Befall der gesamten Lage und ergreifen Maßnahmen. Gegen Botrytis,
     den Schimmelpilz, ist Chardonnay weniger anfällig. Am besten, wie gesagt, ist konsequente Laubarbeit, das heißt Ausbrechen
     von Seitentrieben und Blättern, besonders dort, wo die Trauben wachsen.«
    |140| Wieder hielten sie an, und Karola erklärte anhand einer Lage mit Gewürztraminer die Gründe für die Begrünung zwischen den
     Rebzeilen.
    »Maria sagte mir, dass ihr alle, also alle Sieben in dieser Richtung unterwegs wart.«
    »Sie wollte als Nächste auf Bioanbau umstellen, sie hat es bei mir gesehen, aber die Umstellung dauert Jahre. Nun wird der
     liebe Richard wohl das Rad der Geschichte zurückdrehen, der Schwachkopf. Er hat die falschen Vorbilder.«
    »Könnte Bruno Sandhofer nicht verkaufen?«
    »Den Familienbetrieb? Nein, Carl, das wäre sein Ende – nicht nach allem, was passiert ist.«
    Nachdenklich gingen sie weiter, und Karola klärte Carl über die Vorteile der biologischen Produktion auf: »Wir verzichten
     auf Stickstoff; das bringt bis zu 60   Prozent weniger Kohlendioxid, also CO 2 in die Atmosphäre, es vermindert den Treibhauseffekt. Wir verwenden keine Pestizide, Boden und Grundwasser bleiben sauberer.
     Und wir sorgen für Artenvielfalt, denn im Grunde genommen ist ein Weinberg eine Monokultur. Unser Wein ist gesünder. Aber
     der Kunde entscheidet nach dem Geschmack. Wir Frauen lernen viel voneinander. Der Austausch von Erfahrung, sich gegenseitig
     helfen – ohne Absicht dahinter, das Wichtigste jedoch ist unsere Freundschaft, letztlich verbindet uns alle die Sympathie.
     Dadurch sind wir überhaupt auf die Idee gekommen, gemeinsam aufzutreten.«
    Wie immer, dachte Carl, die Gefühle entscheiden, und Karola, als hätte sie erraten, dass er sich in diesem Zusammenhang an
     Maria erinnerte. Unvermittelt begann sie ihn zu duzen: »Wieso bist du dir so sicher, dass jemand sie von oben heruntergestoßen
     hat?«
    Carl zögerte lange. »Sicher? Was heißt schon sicher? Ich frage mich manchmal, ob nicht alles Einbildung ist, da läuft ein
     Film, und andere führen Regie. Ich kam zurück, Maria lag am Boden, und ein Mann rannte weg. Den Arzt hat er |141| nicht geholt, das hat die Haushälterin getan. Jeder normale Mensch würde doch helfen, oder?«
    »Vielleicht hat er Angst gehabt?«
    Beide blickten sich an und glaubten nicht daran. Carl

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