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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Apfel. Es war ein klarer und geradliniger Wein, interessant in seiner Vielseitigkeit.
    »Was anderes als unser Blender, nicht, Herr Breitenbach?« Fotograf Gatow war begeistert. »Er kommt langsam, ist elegant statt
     wuchtig, fein und saftig statt voluminös – und lang im Mund. Hervorragend.«
    Karola freute sich über das Lob, während Carl feststellte, |146| dass er mit derartigen Beschreibungen wenig anfangen konnte. Er ahnte, was mit wuchtig gemeint war, der hier war es nicht,
     aber es würde eine ganze Weile dauern, bis er begriff, wie Weinsprache funktionierte, wie man Begriffe fand. Es würde ihm
     jedenfalls Spaß machen, darüber zu reden.
    Der zweite Chardonnay war im Barrique vergoren und einige Monate auf der Hefe belassen worden. Karola erklärte den Männern
     die Machart: »Ich habe zur Hälfte gebrauchte Fässer verwendet, damit der Holzgeschmack nicht zu stark wird und die Frucht
     verdeckt. Die absinkenden Hefen und Bakterien geben dem Wein seinen eigenartigen Geschmack. Er ist haltbarer, die Lagerung
     macht ihn komplexer, runder, ganz anders als der erste. Die darf man nicht vergleichen. Es sind Weine für verschiedene Gelegenheiten.«
    Carl spürte die Weichheit, ein dezentes Nelkenaroma, und doch waren die Fruchtaromen erhalten geblieben, wenn auch die einzelnen
     Obstsorten nicht mehr so klar voneinander abzugrenzen waren. Der erste Wein entsprach eher seinem Geschmack.
    Der zweite Chardonnay gefiel dem Fotografen besser. Er fuhr mit der Nase über das Glas und schien dabei mit offenen Augen
     in sich hineinzusehen. War es der gleiche Blick, mit dem Carl Wörter aus seinem Innersten an die Oberfläche holte? Hier war
     der leere Blick ein Ausdruck äußerster Konzentration auf den Geschmack hin, auf die Wahrnehmung der eigenen Sinne.
    »Das ist ein richtiger Wein«, sagte Gatow trocken. »Einer mit Tiefe und Eleganz, ein Wein, der im Munde bleibt.« Der Fotograf
     war hingerissen. »Kein Wunder, dass Chablis oder ein Meursault von der Côte d’Or aus dieser Traube gekeltert werden. Meine
     Frau Antonia macht einen ähnlichen Wein, eine Cuvée aus Chardonnay und Pinot blanc«, er zeigte auf das Glas, »auch im Eichenfass
     ausgebaut.«
    »Dazu gehört ein Zander aus dem Neusiedler See«, fügte Karola hinzu.
    |147| Gatow verzog genüsslich das Gesicht. »Den werde ich Antonia mitbringen. Verkaufen Sie mir   ... «
    Karola empfahl, erst ihre anderen Weine zu probieren und sich dann zu entscheiden. »Wer weiß, was Ihnen sonst noch gefällt.
     Herr Breitenbach«, sie grinste, »kann leider nichts mitnehmen, er wird es bedauern, dass er mit dem Radl da ist.« Es klang
     irgendwie schadenfroh.
    »Aus Deutschland?«, entfuhr es Gatow entsetzt.
    »Nein, auf dem Dachgepäckträger. Meine Frau fährt den Wagen.« Es wäre besser gewesen, wenn Carl geschwiegen hätte, und nur
     der Welschriesling bewahrte ihn vor dem Absturz seiner Laune. Welschriesling, noch so ein Wort, das langsam Hintergrund gewann.
    »Das ist der vom See unten, von der Lage, die ich dir vorhin gezeigt habe.« Karola beobachtete aufmerksam die Reaktion ihrer
     Gäste.
    Carl empfand diesen Wein als aromatischer als andere Rieslinge, die er in Erinnerung hatte. Lag es am Klima, an der Sonne,
     lag es am Boden? Er sollte sich nicht so viele Gedanken machen, er würde es nie begreifen.
    »Es liegt an der Rebsorte. Ganz was anderes als ein Riesling aus Rheinhessen oder von der Mosel. Sie heißt in Ungarn Olasz
     Rizling, in Slowenien nennt man sie Laski Rizling, der bulgarische Name Welschrizling kommt unserer Bezeichnung am nächsten.
     Ursprünglich stammt sie aus Rumänien, ist also eine mitteleuropäische Traube.«
    »Eine k. u. k. Traube, wie mir scheint«, bemerkte Gatow, und Carl hörte Ablehnung heraus. Für ihn war es ein Wein, den man
     am Sommerabend beim Heurigen trank, mit seinem frischen Duft nach Äpfeln und sonst noch irgendetwas   ...
    Auf den Süßwein, die Trockenbeerenauslese, verzichteten beide Männer, denn keiner hatte zu Mittag gegessen. Stattdessen stiegen
     sie in die Kühle eines gemauerten Gewölbes aus dem 17.   Jahrhundert hinab. Die Stufen waren ausgetreten |148| , Karolas Hinweis, vorsichtig zu sein, kam für Frank Gatow zu spät, er stolperte, die linke Hand erreichte gerade noch das
     Geländer, er fing sich, stöhnte aber laut auf, was ihm sichtlich peinlich war, und ging in die Knie. Auf die Blicke seiner
     Begleiter hin murmelte er etwas von einer schlecht verheilten Verletzung, die sich immer

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