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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schaute hinunter zum See, und erst nach einer Weile wurde ihm bewusst,
     dass er an Johanna dachte.
    »Sie kann ausgerutscht sein und ist dann gestürzt.«
    Es dauerte einen Moment, bis Carl begriff, dass Karola wieder von Maria sprach.
    »Ich kenne ihre Kellerei fast wie meine eigene. Oben liegen Metallroste, vielleicht waren sie verrutscht. Was trug sie für
     Schuhe? Gummistiefel?«
    »Nein, dazu war es zu warm und trocken. Keine Ahnung, sie trug so eine Art Armeehose mit Taschen auf den Oberschenkeln und
     ein rotes Hemd, das weiß ich noch. Als wir in den Keller gingen, hat sie sich eine Jeansjacke übergezogen. Aber ihre Schuhe?
     Die Polizei wird es wissen. Ich war gestern vorgeladen. Die Ermittlungen werden von zwei Inspektoren durchgeführt, scheinen
     ganz vernünftig zu sein. Sie schließen Mord zumindest nicht aus.«
    »Sie sind vorsichtig geworden.«
    »Wer? Wieso?«
    »Im letzten Jahr ist ein Bursche aus Oberschützen vom Baugerüst gestürzt, er ist acht Meter tief gefallen, als er im Internat
     nachts in sein Zimmer einsteigen wollte. Beim Röntgen hat man Schädelbrüche festgestellt und ihn dann eingeäschert. Die Mutter
     hat protestiert, und jetzt rätseln die Experten über den Röntgenaufnahmen, vielleicht wurde er gestoßen   ... «
    Karola drehte den Stil eines Blattes zwischen Zeigefinger und Daumen. »Du bist der Einzige, der den Mörder gesehen hat. Macht
     dir das Angst? Es könnte gefährlich werden. Du hast die Polizei aufgescheucht, von allein wären sie nicht darauf gekommen.«
     Karola bedeutete Carl, ihr zu folgen, und ging zwischen die Rebzeilen, betrachtete hier eine Traube |142| , dort ein Blatt, riss einen Trieb ab, flocht einen anderen, der weit in die Rebzeile ragte, senkrecht zwischen die Drähte.
    Ich habe vor ganz anderen Dingen Angst, dachte Carl, die Tage mit Johanna vor Augen, den Anfang vom Ende? Einen Neuanfang
     gab es nicht, man konnte nie von vorne anfangen. Vor allem wusste er nicht, was er wollte. Auf dieser Grundlage eine Entscheidung
     treffen? Wie war es dann mit seiner Aussage? Die Polizei nahm es als Basis für ihre Ermittlungen. War alles eine Frage der
     Glaubwürdigkeit?
    Karola ging schweigend weiter, Carl folgte ihr. Weshalb mischte er sich ein? Was wollte er sich beweisen? Beharrte er auf
     Mord, damit es einen Mörder gab, den er zur Strecke bringen konnte, weil der seinen Traum vernichtet hatte? War es wirklich
     so plump – oder archaisch wie Rache? Er war nie nachtragend oder gar rachsüchtig gewesen. Aber er vermutete etwas ganz anderes.
     Dieser Unfall oder Mord war real – das hier, das Drama, war verdammt wirklich, war hautnah, kein Papier, keine Literatur zwischen
     ihm und der Welt. Marias Tod schmerzte ihn, jemand hatte in sein Leben eingegriffen und das eines anderen zerstört. Er musste
     herausfinden, wer das gewesen war, der den Hof just in dem Moment verlassen hatte, als er zurückgekommen war. Und als es nichts
     mehr zu zweifeln gab, zweifelte er an sich. Hatte jemand sterben müssen, damit er sich beweisen konnte? Es ging ihm schon
     wieder durch den Kopf, und ihm graute vor sich selbst. Wenn sogar ich so bin, dann gnade uns Gott, dacht er.
    »Je fetter der Boden, desto länger brauchen die Trauben zur Reife«, sagte Karola und holte Carl in die Wirklichkeit zurück.
     »Wein auf Schiefer und Sand wird früher reif. Aber hier haben wir Muschelkalk, das liebt der Chardonnay, nicht zu feucht,
     aber noch genügend Lehm, um Wasser zu halten. Nur muss man ihn im Zaum halten, also alles Überflüssige rausschneiden, neun
     bis elf Blatt bleiben pro Traube.«
    »Gehst du durch und zählst?«
    |143| »Ja, wenn du es nicht selbst machst, brauchst du eine gute Mannschaft, aber man kriegt immer seltener gute Leute. Unsere Hilfskräfte
     kommen alle aus dem Osten. Beim Chardonnay muss man sehr sorgfältig spritzen, die Beerenhaut ist dünn und platzt leicht auf.
     Bei edelsüßen Weinen ist das gewollt, aber da kann dir Ellen drüben in Illmitz mehr erzählen.«
    Karola fuhr weiter mit ihm zum St. Laurent. Auch hier begann sie mit der Erklärung zum Blatt, ging über zu den Trauben mit
     vielen Farbpigmenten in der Beerenhaut. Diese Lage ließ die Bodenpflege besonders deutlich erkennen. Wildkräuter, Gräser und
     andere Einsaatpflanzen wuchsen zwischen den Reben, Insekten krabbelten und summten durch Wicken, Senf und Klee.
    »Wir hatten dieses Jahr zwar Ende Mai genug Wasser, aber wenn es trocken wird, konkurriert der Weinstock mit allen

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