Verschwörung beim Heurigen
idiotische Ideen sie kam? Der »Knecht« war nicht gekommen, um alte Kamellen aufzuwärmen.
»Wann ist das gewesen?«, fragte sie.
»Bekannt wurde es im Sommer 1985 ... «
Johanna war damals gerade mal zwanzig gewesen. In jenem Sommer hatte der französische Geheimdienst das Schiff von Greenpeace,
die Rainbow Warrior, in einem australischen Hafen mit einer Bombe versenkt, während sie in Stuttgart voller Wut gegen französische
Atomversuche in der Südsee protestierte. Lange her.
»Damit so was sich nicht wiederholt, haben wir unsere Bürgerinitiative gegründet«, warf Hansi ein, und Johanna brauchte eine
Sekunde, um zu begreifen, dass nicht der Bombenanschlag gemeint war, sondern der Schwindel mit Glykol. »Auch das ist Umweltschutz.
Wenn so was passiert, kommen die Leute nicht mehr zu uns an den See und ins |217| Burgenland. Das wäre das Schlimmste. Sie sollen kommen ... «
» ... wie zu den
World Sailing Games
im Mai«, unterbrach Günther Wollknecht, »ein Riesenevent, auf einem der besten Segelreviere. Täglich im TV, in der Presse,
großartig, auch das Rahmenprogramm, wenn wir da schon unsere Schule gehabt hätten. Nicht wahr, Hans?«
»Dann schießen Sie los«, sagte Johanna ungeduldig. »Wie stellen Sie sich meine Mitarbeit, meine eventuelle Beteiligung vor?«
Der Anwalt erklärte das Vorhaben besser, als Hansi es getan hatte. Er teilte das Projekt in die Phasen Planung, Genehmigung,
Bau und Betrieb, nannte beteiligte Firmen sowie Sponsoren, und anscheinend war alles viel weiter gediehen, als Hansi es dargestellt
hatte. Sogar Absichtserklärungen und Verträge lagen vor, Fördermittel stünden bereit, er selbst führe die Gespräche mit den
Kapitalgebern der Bank und der EU. »Anteilsscheine für private Anleger, solche wie Sie – oder sollen wir nicht besser zum
Du übergehen?– gibt es ab 20 000 Euro. Die bieten wir den Erstzeichnern zu Vorzugskonditionen an. Sie zeichnen für 40 000 Euro, zahlen aber nur 37 000 – bei voller Verzinsung.« Erwartungsvoll hielt er inne.
»Und was ist mit Sicherheiten, Eigenkapital, Renditeerwartung und Haftung der Anleger?«
»Alles, alles vertraglich geregelt. Sie sind ja nicht die Erste, die einsteigt. Uns fehlen noch zwei Anleger für den von der
Bank geforderten Mindestbetrag. Unternehmerisches Risiko ist allerdings dabei. Deshalb wäre uns ja auch Ihre, deine Mitarbeit
sehr lieb.«
Das klang gut. Johanna fand bisher nichts Störendes an dem Projekt. Sie würde allerdings erst Erkundigungen über diesen Anwalt
und Hansi einholen, und dann lag da noch dieser Stapel auf dem Tisch. Der Anwalt schob ihn ihr zu.
»Das wäre Ihr Part. So wie Carl mir Ihre Arbeit geschildert |218| hat, formulieren Sie Anträge für Industrieprojekte in sensiblen Gebieten.«
»Nicht nur, sondern auch«, sagte Johanna entschieden. »Ich arbeite auf der Grundlage von Gesetzen. Dazu muss ich die Zielsetzung
kennen. Sollten Sie mir irgendetwas verheimlichen, bewusst oder unbewusst, sollte irgendein Umstand erst später klar werden,
sollten Gegner der Surfschule mit Gesetzen oder Vorschriften und Erlassen kommen, was ich mir hier am See gut vorstellen kann,
sowohl von Seiten der Umweltschützer als auch möglicher Konkurrenten, die das ausnutzen, so ist ein Scheitern nicht auszuschließen.
Und dafür lehne ich jede Verantwortung ab. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?« Die Ferienpersönlichkeit war von ihr abgefallen,
sie war nicht mehr die Surferin im bunten T-Shirt , sie war Verhandlungspartner. »Wenn ich mich entschließe, die Schule zu fördern, wird sie auch gebaut!«
Der Anwalt sah sich zum Widerspruch genötigt. »Erwarten Sie nicht, dass wir Ihnen alles auf dem silbernen Tablett präsentieren,
wenn Sie aktiver Teilhaber werden. Einfach wird es nicht. Wir sind sowohl in Bezug auf Natur- und Landschaftsschutz ein sensibles
Gebiet. Und wir haben den unesco-Status eines Kulturerbegebietes. Der Raum Neusiedler See ist seit dreitausend Jahren bewohnt,
er gehört zu den bedeutendsten Landschaftsräumen Europas.«
»Ich liebe solche Herausforderungen.«
»Wenn wir die Autobahn bauen, was ich hoffe, da sie uns die Kunden aus Wien direkt vor die Haustür bringt, kann es sein, dass
die unesco uns den Status aberkennt.«
»Eine Autobahn?«, fragte Johanna und zog die Brauen zusammen. »Was hat die damit zu tun?« Vorhin hatte Carl darüber gesprochen
– und jetzt diese beiden. Er würde ihr doch nicht schon
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