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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wieder dazwischenfunken?

|219| 11
    »Bei mir lag der Fall anders.« Der Fotograf starrte über die Gäste des Straßencafés hinweg ins Leere. »Im Gegensatz zu dir
     kannte ich niemanden, als ich in die Toskana kam, und ich hatte keine Ahnung von Wein. Es fing damit an, dass mich zwei Männer
     niederschlugen. Dann verschwanden ein Winzer und dessen Sohn – an einem wunderschönen Tag, an einem wunderschönen Ort   ... « Gatow hielt inne und sah Carl an, als fiele ihm die Erinnerung schwer. »Niemand blickte durch, keiner wusste, worum
     es ging, und die Polizei wollte mich zum Täter machen. Du hast einen großen Vorteil, du hast Verbündete hier, die Freundinnen
     von dieser   ...?«
    »   ... Maria«, ergänzte Carl.
    »   ... ja, und ihr Vater. Auf die musst du bauen. Sie hätte ich auch fotografieren sollen. Das hat sich ja nun erledigt.« Der
     Fotograf zog eine Grimasse. »Ich habe die Redaktion informiert, und die haben sofort protestiert, weil sie dachten, ich spiele
     wieder Detektiv, ›Leichen pflastern seinen Weg‹. Die kennen meine Geschichte.« Gatow war das Drama, das sich vor zwei Jahren
     ereignet hatte, immer noch nah. In groben Zügen hatte er auf der Fahrt nach Neusiedl davon berichtet, und Carl war die gute
     Laune vergangen.
    Er hatte sich gefreut, als Frank Gatow heute vor der Tür gestanden hatte, endlich jemand, der ihm zuhörte und zu dem er Vertrauen
     schöpfte, obwohl sie sich kaum kannten. Unterwegs hatte Carl die unzähligen Windräder betrachtet, |220| die oben auf der Parndorfer Platte den Wind in Strom verwandelten. Alle Rotoren hatten sich unterschiedlich schnell gedreht,
     nicht einer war im Gleichklang mit dem anderen. Nicht anders sah es in seinem Kopf aus.
    »Zieh mich nicht mit rein«, Gatow sagte das eindringlich. »Ich frage mich allerdings, weshalb erschlägt jemand eine Frau?
     Der Täter muss ein Mann gewesen sein, wie du sagst. Andererseits sind Winzerinnen auch nicht von Pappe. Die haben Kraft, die
     schleppen locker Zwanzig-Kilo-Kisten mit Trauben und hantieren den ganzen Tag mit schweren Maschinen. Meine Frau fährt Traktor,
     dabei ist sie zart, aber ziemlich zäh, körperlich. Seelisch ist sie ganz anders. Sie hat ja auch so eine Katastrophenehe hinter
     sich   ... «
    Da sah sich Carl zum Widerspruch genötigt. »Das war sie nicht immer«, verteidigte er sich, »nur seit Johanna für diese angebliche
     Umwelt-Firma arbeitet, ist sie wie ausgewechselt. Ich glaube, zuerst war es Angst, daraus wurde Gefallsucht, dann kam die
     Gier – nie genug Geld – und der Erfolg. Früher war das nicht so.«
    »Der Teufel hat Zeit, Carl, unendlich viel«, sagte Gatow vor sich hinstarrend und wiederholte die letzten beiden Worte langsam:
     »Unendlich viel. Und Geduld hat er. Klar, bei der Hitze in der Hölle ist er einiges gewohnt. Der geht neben uns her, weißt
     du? Der sitzt hier irgendwo auf einem der freien Stühle   ... «
    »   ... hier ist nichts frei«, sagte Carl mit Blick auf die Touristen, die neben dem Café auf der Hauptstraße von Neusiedl auf
     einen freien Platz warteten.
    »Wenn’s mehr nicht ist – dann steht er eben mitten unter den Leuten da, neben der da, mit der goldgefassten Sonnenbrille und
     den Klunkern, macht ihm nichts. Du hast diese Maria in Stuttgart getroffen, wie du sagtest? Da war er, hat dir was eingeredet,
     und du hast dich an Maria rangemacht, statt deiner Frau die Meinung zu flöten – oder die Konsequenzen zu ziehen.«
    |221| Carl verzog das Gesicht. »Das ist mir zu moralisch!«
    »Moralisch?« Frank Gatow neigte sich zu ihm. »Nein, amico mio, feige. Und hinterhältig. Entschuldige, das ist sehr persönlich,
     wir kennen uns kaum, aber ich finde dich in Ordnung, und du steckst in der Scheiße, bis zum Hals. Ich kenne das. Mir ging
     es ähnlich. Vorhin hast du gefragt, was ich von der Sache halte. Also beschwere dich nicht über die Antwort. Oder frage nicht.
     Nenne es Teufel, nenne es sonst wie, das Wort Moral ist antiquiert, ich weiß, in einer unmoralischen Welt ist das verpönt.
     Trotz dem. Er hat dich erwischt, amico, er erwischt einen immer an der schwächsten Stelle. Deine Frau hat er bei ihrem mangelnden
     Vertrauen gepackt, bei ihrer Angst, wenn sie so ist, wie du sie schilderst. Und dich bei deiner Zauderei. Wenn du nicht weißt,
     ob du sie noch willst, wer dann?«
    Carl kratzte sich verlegen. Er sah Johanna auf der Terrasse im Kies liegen, gestern, erinnerte sich an das Gespräch vom Morgen
     und stöhnte

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