Verschwoerung gegen Baron Wildenstein
Herr auf Burg Wildenstein sein!”, hörte Wolfram einen der Ritter sagen. “Er hätte dann kläglich dabei versagt, seinen Lehnsherrn zu schützen!” Wolfram drehte sich um, weil er sehen wollte, welcher Ritter dies gesagt hatte.
Es war Ferdinand von Walden, ein breitschultriger Mann mit schwarzem Bart, der beim letzten großen Turnier als Sieger hervorgetreten war.
“Es gibt ein Gerücht”, sagte ein anderer Ritter. Er hieß Bernhard von Terne und trug das blonde Haar schulterlang.
“Wovon sprecht Ihr, Bernhard?”, hakte Ferdinand von Walden nach.
Bernhard von Terne sprach jetzt in gedämpftem Tonfall weiter – aber immer noch laut genug, dass Wolfram alles mitbekam. “Ich habe gehört, dass es einen heißen Anwärter auf die Nachfolge von Baron Norbert gibt!”
“Wen denn?”
“Erich von Wendlingen. Graf Gernot ist ihm mehr als einen Gefallen schuldig, weil Erich ihn bei einem Überfall von Raubrittern vor der Gefangenschaft oder Schlimmerem bewahrte. Er soll darauf brennen, endlich ein Lehen übertragen zu bekommen, aber zurzeit ist keines für ihn frei!” Noch einmal erhob sich die Stimme des Burgherrn. Baron Norbert forderte alle auf, ihr Bestes zu geben. Dann beendete er die Versammlung.
*
Wolfram strömte mit den meisten anderen, die an der Versammlung teilgenommen hatten, ins Freie. Vor dem Palas, wie man das Herrenhaus auch nannte, verstreuten sich die Burgleute auf dem inneren Hof, der von einer hohen Ringmauer umgeben war.
Dahinter lag die Vorburg, die nochmals von einer Mauer umgeben wurde. Selbst wenn die Vorburg schon durch Angreifer erobert sein sollte, konnte man den inneren Burghof noch lange verteidigen.
Wolfram blickte sich um.
Einige der Ritter und Burgmannen standen in kleineren Gruppen zusammen und berieten lautstark über das, was Baron Norbert ihnen mitgeteilt hatte.
Die Meinungen gingen dabei stark auseinander.
Manche der Ritter glaubten, es sei vollkommen ausgeschlossen, dass sich jemand erdreisten würde, das wertvolle Buch zu stehlen. Schließlich sei es doch derart einzigartig, dass man es in der näheren Umgebung niemals zum Kauf anbieten konnte!
Der Baron mache sich also völlig umsonst Sorgen.
“Hier in der Gegend kann man es vielleicht nicht zum Kauf anbieten”, stimmte Ritter Ferdinand von Walden zu. “Aber wenn es einem Dieb gelänge, diese Bibelabschrift in einen weit entfernten Landstrich zu bringen, könnte das schon ganz anders aussehen.” Wolframs Blick fiel auf das große Tor, das den inneren Burghof von der Vorburg trennte. Das Fallgatter war hochgezogen. Zwei mit Schwert und Hellebarde bewaffnete Burgmannen standen dort als Wachen. Jeder, der in den inneren Burghof gelangen wollte, wurde von ihnen in Augenschein genommen.
Ein Hund rannte zwischen ihnen hindurch. Sein Fell war ziemlich zerzaust. Eine rechte Promenadenmischung war er.
Wolfram kniete nieder und breitete die Arme aus. Der Hund lief geradewegs auf ihn zu. “Kaspar!”, rief der Page. Der Hund erreichte ihn, wedelte dabei mit dem Schwanz und schien sich unbändig zu freuen, Wolfram wieder zu sehen. “Kaspar, wo hast du nur so lange gesteckt?”
Der Hund antwortete mit einem lauten Bellen, sodass sich sogar einige der sich noch immer lautstark unterhaltenden Ritter umdrehten.
Wolfram kraulte dem Tier das Fell. Kaspar wiederum schleckte dem Pagen einmal mitten übers Gesicht, ehe der Junge den Kopf zurückziehen konnte.
“Nur schade, dass du alter Streuner nicht sprechen und mir von deinen Wanderungen berichten kannst”, bedauerte der Junge, was der Hund abermals mit einem kurzen Aufbellen bestätigte.
Kaspar gehörte zu den unzähligen streunenden Hunden, die innerhalb und außerhalb von Burg Wildenstein lebten. Wolfram hatte sich mit ihm angefreundet und ihm seinen Namen gegeben: Kaspar, nach einem der heiligen drei Könige aus der Weihnachtsgeschichte.
Manchmal ließ er sich tagelang nicht blicken, so wie in letzter Zeit. Aber bis jetzt war er stets irgendwann zurückgekehrt.
Wolfram erhob sich.
Kaspar hielt sich dicht an seinen Beinen.
Einige Meter von Wolfram entfernt stand Maria und beobachtete ihn.
“Hallo”, sagte Wolfram und kraulte den Hund noch einmal hinter den Ohren.
“Kaspar war ein paar Tage nicht da. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.” Sie lächelte. “Hört er eigentlich auf dich?”, fragte sie.
Wolfram hob die Schultern. “Ein bisschen.”
“Na ja, ein Hund ist ja kein Falke.”
Wolfram trat etwas näher auf sie zu. “Glaubst du, du
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