Verschwörung in Florenz
Redaktion. Für Brasilien war alles fix und fertig. Sie und die Fotografen brauchten praktisch nur noch in das Flugzeug nach Rio zu steigen. Aber nein. Jetzt sollte sie nach Florenz. Mit der Bahn. So ein verdammter Mist. Ausgerechnet Florenz.
Anne warf einen Blick auf die Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing. Fünf Minuten vor fünf. Feierabend. Sie erhob sich mit einem Ruck und pustete die Kerze aus. Natürlich hätte sie auch heute wieder länger bleiben können. Es gab immer viel zu tun. Sie hätte noch die Fotos für die Reportage über Stockholm durchsehen und mit Steffi von der Bildredaktion über die notwendigen Änderungen sprechen können. Sie hätte auch den Bericht selbst noch einmal korrigieren können, doch der Artikel ging erst kommenden Montag in Druck. In Journalistenkreisen war das eine halbe Ewigkeit. Und sollte die Zeit für die Korrekturen doch noch eng werden, na ja, dann würde sie sich eben einmal nicht erst mit dem wirklich Besten zufrieden geben, dann würde in der Septemberausgabe des beliebten Frauenmagazins kein erstklassiger, sondern nur ein mittelmäßiger Artikel erscheinen. Und falls die Resonanz der Leserinnen entsprechend ausfiel, so war es nicht ihr Bier. Sollte sich doch Susanne darum kümmern. Sie hatte allein in den vergangenen zwei Monaten genügend Überstunden gemacht, um mindestens eine ganze Woche zu Hause bleiben zu können. Und wozu? Man scherte sich hier ohnehin nicht darum.
Vielleicht sollte ich das wirklich tun, dachte sie und nahm ihre Handtasche. Vielleicht sollte ich einfach zu Hause bleiben. Ausschlafen, es mir eine Woche lang gut gehen lassen und diesen fantastischen einmaligen Sommer genießen, anstatt ihn hier im Verlag zu verbringen. Soll Carsten doch zusehen, wie er mit dem Laden allein fertig wird. Verdient hätte er es, dieser Idiot.
»Du gehst doch nicht etwa schon nach Hause?«, fragte ein Kollege, den sie auf dem Weg zur Tiefgarage auf dem Flur traf.
»Es ist siebzehn Uhr, Tom. Ich habe Feierabend.«
Sie wartete seine Entgegnung nicht ab, sondern stieg in den Fahrstuhl, der sie bis in die Tiefgarage brachte. Das Parkdeck war gut gefüllt. Ein ungewohnter Anblick für Anne. Oft genug standen, wenn sie abends ihr Büro verließ und zu ihrem Auto ging, nur noch zwei Wagen auf Parkdeck 3 – ihr eigener und der von Carsten. Susannes kirschroter Mini war dann meistens schon weg. Sie hatte immer viel um die Ohren – tanzen, reiten, ein eigenes Pferd. Tja, in Zukunft würde sie sich wohl umstellen und das eine oder andere Hobby aufgeben müssen. Als stellvertretende Chefredakteurin würde ihr nicht mehr so viel Zeit bleiben.
Anne stieg in ihr Auto, startete den Motor und fuhr aus der Tiefgarage hinaus. An der Schranke hielt sie an. Herr Pachulski, der Garagenwart, lächelte ihr freundlich zu.
»Na was denn, gerade erst siebzehn Uhr und schon Schluss für heute, Frau Niemeyer?«, sagte der alte Herr mit seinem liebenswerten ostpreußischen Akzent.
»Draußen scheint die Sonne, und ich denke, der Verlag wird auch ein paar Stunden ohne mich zurechtkommen.«
»Na, ich sag ja immer, dass Sie zu viel arbeiten. Und danken wird es Ihnen hinterher niemand.« Er drückte auf einen Knopf, damit sich die Schranke hob. »Machen Sie sich einen richtig schönen Abend, Fräuleinchen.«
»Danke, Herr Pachulski«, erwiderte Anne und winkte ihm zu. Diesem alten freundlichen Mann konnte man nicht böse sein. Nicht einmal wegen dem Fräuleinchen.
Anne war bekannt dafür, dass sie meistens lange arbeitete. Sie liebte ihren Job. Und sie liebte das Magazin, als wäre sie die Herausgeberin. Jede Seite in dieser Zeitschrift sollte erstklassig sein. Und für einen exzellenten Artikel strengte sie sich an, legte sich richtig ins Zeug und machte Überstunden, ohne nach der Bezahlung oder dem Freizeitausgleich zu fragen. Jeder hier im Verlag wusste das, ihre Kollegen, die türkischen Putzfrauen, die abends artig an ihre Tür klopften und fragten, ob sie sie schon stören und den Teppich saugen dürften, und natürlich der alte Herr Pachulski. Nur an einer Person schien diese Erkenntnis bislang vorbeigegangen zu sein – ihrem Chef.
Anne hielt an einer roten Ampel und suchte in ihrer Handtasche auf dem Beifahrersitz nach ihrem Handy. Als sie es gefunden hatte, tippte sie die Nummer ihrer besten Freundin ein.
»Hallo, Angie, hier ist Anne. Hör mal, mein Engel, hast du gleich Zeit, dich mit mir zu treffen? Ich brauche unbedingt deine moralische Unterstützung. Du wirst
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