Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
nicht glauben, was mir heute passiert ist … Fein. Wir treffen uns in einer halben Stunde vor dem Levante-Haus. Bis gleich.«
    Anne warf das Handy auf die Konsole und fuhr an. Die Ampel zeigte schon seit ein paar Sekunden grün, und die Autofahrer hinter ihr hupten und schimpften, als würde jede Einzelne davon mit Tonnen von Gold aufgewogen. Als ob sie alle so wichtig wären. Blödmänner. Dabei standen sie an der nächsten Ampel schon wieder. Alle. Auch die, die es offenbar so verdammt eilig hatten.
    Während Anne überlegte, wo sie wohl um diese Zeit die größte Chance hatte, einen Parkplatz zu finden, der nicht zu weit vom Levante-Haus entfernt war, ließ sie ihren Blick schweifen. Die beiden Männer im Nadelstreifenanzug, die gerade über die Straße gingen – einer mit Handy am Ohr, der andere mit einer Aktenmappe unter dem Arm –, waren bestimmt Anwälte. In dieser Gegend der Hamburger Innenstadt wimmelte es nur so von Kanzleien oder den Büroetagen von Großkonzernen mit eigener Rechtsabteilung. Ein asiatisch aussehendes Ehepaar stand an der Ampel und studierte mit ziemlich ratlosen Blicken einen Stadtplan. Ein junges Mädchen mit ungepflegten langen Haaren schlich träge den Bürgersteig entlang. Die Beine ihrer schmutzigen Hose schleiften auf dem Pflaster. Offensichtlich eine Drogensüchtige, die sich verlaufen hatte. Der Hauptbahnhof war ein gutes Stück entfernt. Diese Straßen gehörten den Rechtsanwälten, den Bankiers und Versicherungsleuten. Und die verkauften für gewöhnlich keine Drogen.
    Anne trommelte mit den Fingern auf ihrem Lenkrad herum und ärgerte sich mal wieder über die Hamburger Verkehrspolitik, die es nicht einmal schaffte, die Ampeln verkehrsgerecht zu schalten, als ihr ein Bild ins Auge fiel. Es war ein Bild im Schaufenster einer winzigen Kunsthandlung, von deren Existenz sie bisher nicht einmal gewusst hatte. Die Galerie lag etwa zwanzig Meter entfernt in einer Seitenstraße, die in die Hauptstraße einmündete. Und direkt vor der Tür war ein Parkplatz frei. Das war mehr als Glück. Das war Schicksal, Vorsehung, Kismet.
    Die Ampel wurde endlich grün, Anne setzte den Blinker, bog scharf nach rechts in die Seitenstraße ab und fuhr ihren Wagen in die kleine Parklücke. Wieder hupten einige Autofahrer hinter ihr, wieder hörte sie Schimpftiraden wie »blöde Kuh«, »dämliches Weib«, doch sie achtete gar nicht darauf. Sie schnappte sich ihre Handtasche, stieg aus dem Auto und ging über den schmalen Gehweg zum Schaufenster der Galerie. Sie war wie in Trance. Erst im letzten Moment wich sie einem alten Mann auf einem Klapprad aus. Das Fahrrad geriet ein wenig ins Schlingern, doch der Alte fing sich wieder und fuhr seelenruhig davon, als wäre nichts geschehen. Verwundert sah Anne ihm und dem orangefarbenen Klapprad nach, dann hatte sie nur noch Augen für das Bild. Sie nahm sogar ihre Sonnenbrille ab, um es besser betrachten zu können.
    Es war das einzige Bild, das in dem Schaufenster hing – nicht besonders groß, aber so eindrucksvoll, dass kein anderes Gemälde neben ihm eine Chance gehabt hätte. Die Farben – angefangen von einem breiten Streifen schimmernden Goldes bis hin zu einem dunklen Rot von einer beinahe schon schmerzhaften Intensität – hatten so viel Leuchtkraft, dass sie Anne sogar von weitem von der Straße weg und hierher gelockt hatten. Das Bild schien zu glühen. Und noch während sie es betrachtete, hatte sie den Eindruck, die Farben würden noch intensiver, noch leuchtender, als würde jemand die Glut auf der Leinwand mit einem Blasebalg weiter anheizen. Erst nach einer Weile fiel ihr auf, dass es sich offensichtlich um eine Wüstenlandschaft handelte, eine beliebige, namenlose Landschaft irgendwo im amerikanischen Mittelwesten oder in Australien, vielleicht sogar nur der Fantasie des Künstlers entsprungen. Es war wenig darauf zu sehen – ein breiter Sandstreifen, am rechten Bildrand eine massive Felsformation ähnlich denen im Monument-Valley, ein dunkelroter Himmel. Beinahe langweilig, und trotzdem konnte Anne den Blick nicht abwenden. In diesem Bild steckte Feuer, Temperament. Es atmete, es hatte Seele. Es dauerte gewiss fünf Minuten, bis sie es endlich schaffte, das Schild zu lesen, das den Künstler und den Titel des Gemäldes preisgab. »ZENO, The Glowing«. Absolut passend.
    Anne fühlte dieses Kribbeln im Nacken, das sie immer dann hatte, wenn sie ein wirklich interessantes Kunstwerk entdeckte. Ohne lange nachzudenken, öffnete sie die

Weitere Kostenlose Bücher