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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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damit der Kellner den Eisbecher vor sie hinstellen konnte, und schüttelte den Kopf. »Mit diesem Thema lockst du doch keinen Hund mehr hinterm Ofen hervor. Da sind ja Bottrop und Gelsenkirchen interessanter.«
    Angie hob amüsiert ihre sorgfältig gezupften Augenbrauen.
    »Bist du jetzt nicht ungerecht?«
    »Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede«, erwiderte Anne, drückte ihre Zigarette aus und widmete sich ihrem Eis.
    »Was Florenz angeht, haben wir in den vergangenen dreißig Jahren bereits über alles geschrieben, worüber es sich zu schreiben lohnt, inklusive dem Calcio in Costume. Ich habe immerhin drei Jahre in dieser Stadt gelebt.«
    Angie rührte bedächtig in ihrem Eisbecher und sah Anne über den Rand des hohen, schlanken Glases hinweg an.
    »Interessant, dass du das erwähnst«, sagte sie betont beiläu-fig. Natürlich war dies eine jener provozierenden Äußerungen, mit denen Angie sonst ihre Klienten aus der Reserve zu locken pflegte. Anne wusste das, sie kannte ihre Freundin gut. Trotzdem konnte sie nicht anders und ging darauf ein.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts, gar nichts«, erwiderte Angie so unschuldig wie Adam und Eva vor dem Sündenfall. »Ich meine nur, dass nicht viele Frauen das Glück haben, drei Jahre ihres Lebens in Florenz zu verbringen, die Leserinnen eures Magazins mit eingeschlossen.«
    »Nein, Angie, ich kenne dich doch. Du wolltest auf etwas ganz anderes hinaus«, widersprach Anne heftig. »Du willst damit sagen, dass ich immer noch nicht über die Sache mit Roberto hinweg bin. Ich kann dir aber versichern, dass du dich irrst. Roberto und seine ganze vornehme Familie sind mir völlig egal.«
    »Wirklich?« Angie schob ihre Sonnenbrille auf ihr blondes Haar und sah Anne an, aber nicht mit dem Blick der kühlen Psychologin, die alles weiß und durchschaut und nichts wirklich an sich heranlässt. In ihren Augen spiegelte sich die ehrliche Anteilnahme einer Freundin. »Du hast Roberto geliebt. Und das, was er mit dir gemacht hat, die Art und Weise, wie er und seine Familie dich abserviert haben, war eine verdammte Schweinerei. Jeder deiner Freunde hätte diesem Kerl liebend gern den Hals umgedreht. Doch das war Roberto. Die Stadt ist unschuldig.«
    Anne stocherte mit dem Löffel in ihrem Glas herum. Auch wenn sie es noch nicht zugeben mochte, Angie hatte mal wieder Recht. Sie wollte nur aus einem einzigen Grund nicht nach Florenz, nämlich um nicht wieder an Roberto und seine Familie erinnert zu werden. Und an diesen widerlichen, gemeinen, abscheulichen Brief. Diesen Brief, der mehr zerstört hatte als eine glückliche Beziehung – oder wenigstens das, was sie bis zu diesem Tag dafür gehalten hatte. Die analytischen Fähigkeiten ihrer Freundin waren manchmal geradezu beängstigend.
    »Ich gebe dir einen Rat«, sagte Angie. »Erledige deinen Job, und warte auf die nächste Gelegenheit. Bewahre die Brasilien-Reportage in deiner Schublade auf und fahr nach Florenz. Stell dich deinen Erinnerungen, auch wenn sie noch so schmerzlich sein mögen. Blick dem Feind ins Auge und erkenne, was für ein armseliges, lächerliches Würstchen dieser Roberto ist. Nur dann wirst du dich endgültig von ihm lösen können.«
    »Danke für den Rat«, entgegnete Anne spitz. »Ich werde dir das Honorar auf dein Konto überweisen.«
    »Nicht doch, für Freunde ist das Gespräch kostenlos«, erwiderte Angie. »Anne, ich will doch nur, dass du endlich aufhörst, diesem Kerl nachzutrauern. Er ist das Papier nicht wert, auf dem seine Geburtsurkunde gedruckt ist. Fahr einfach nach Florenz und finde selbst heraus, dass er eine Frau wie dich überhaupt nicht verdient hat.«
    Eine Weile löffelten sie schweigend ihr Eis. Dann stieß Anne einen tiefen Seufzer aus.
    »Weißt du was«, sagte sie, »vermutlich hast du Recht. Auch wenn ich nicht gerade behaupten kann, dass es mir gefällt.«
    »Wann findet denn das Calcio in Costume statt?«
    »Am letzten Sonntag im August«, antwortete Anne und schob ihren leeren Eisbecher zur Seite. »Ich habe also noch viel Zeit, um mich an den Gedanken einer Bahnfahrt zu gewöhnen.«
    Eine Hamburgerin in Florenz
    Anne dachte an Angies Worte, als sie ihr Gepäck die Stufen des Zugs hinuntertrug und schließlich auf dem Bahnhof von Vipiteno stand. »Stell dich deinen Erinnerungen … blick dem Feind ins Auge«. Ein schöner Gedanke, aber vermutlich würde aus der Schocktherapie nichts werden.
    Es war Donnerstag, kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Eigentlich sollte sie zu diesem

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