Verschwörungsmelange
verteidigte Korber sich.
»Ist aber meines Wissens nach nicht erlaubt, den eigenen
Schülern Privatunterricht zu erteilen.«
»Leopold, die Sache ist nur für eine ganz kurze Zeit
anberaumt, ein Himmelfahrtskommando sozusagen. Außerdem unterrichte ich den
Buben gar nicht. Ich kenne ihn nicht einmal.«
»Wahrscheinlich wirst du ihn auch nicht wirklich
kennenlernen«, spöttelte Leopold. »Da schon eher seine Frau Mama. Und wenn du
Pech hast, in Folge den Herrn Papa in einem ungünstigen Moment. Das wird dann
aber keine sehr angenehme Begegnung.«
»Du traust mir also nicht über den Weg«, stellte Korber ein
wenig pikiert fest.
»Wie kann man jemandem trauen, der einem versprochen hat, ein
Jahr lang keine Frau anzuschauen und sich bei der erstbesten Gelegenheit wieder
an eine heranmacht?«, fragte Leopold.
»Du siehst alles viel zu eng, lieber Freund. Weißt du was? Du
kommst mir schon vor wie eine von diesen alten Keppelweibern, die nur mehr zu
Hause sitzen, und deren einzige Freude es ist, andere Leute auszurichten. In
letzter Zeit wirkst du wirklich ein bisschen muffig und alt. Sogar an meiner
Kleidung hast du etwas auszusetzen. Dabei ist draußen der herrlichste Tag, und
es soll so schön bleiben. Denk einmal daran. Lass die Sonne auch in dein Herz
hinein, Leopold. Schließlich wird es bald Sommer.«
Die letzten Worte sang Korber mehr, als er sie sprach.
Während er zur Tür tänzelte, summte er das Lied ›Fang das Licht‹, das er mit
der Stimme von Karel Gott im Ohr hatte. Schwungvoll ging er hinaus ins Freie.
Leopold aber blieb mit einem gequälten Gesichtsausdruck hinter der Theke
zurück.
*
›Ich bin alt. Ich muss mich schonen. Ich will
nach Hause‹, dachte Leopold, während er ungeduldig auf seine Ablöse Waldemar
›Waldi‹ Waldbauer wartete. Da kam ein ganz seltener Gast zur Tür herein: Paul
Wittmann, einer von denen, die Leopold nicht oft sah, weil ihnen, wie sie ihm
selbst gegenüber anmerkten, das Kaffeehaus zu teuer war. Sie bevorzugten die
Kantine am Sportplatz der Eintracht. Dass das Angebot dort klein und das
Ambiente einfach, um nicht zu sagen puritanisch war, störte sie nicht. Dass der
Kaffee, der dort ausgeschenkt wurde, seinen Namen nicht verdiente, merkten sie
nicht. Dass die Freundlichkeit des Ehepaares, das die Wirtschaft führte, sich
in Grenzen hielt, nahmen sie in Kauf. Die Preise waren billiger als anderswo,
und das zählte.
Leopold machte es im Grunde nichts aus, dass gewisse Menschen
einen Teil ihrer Freizeit gern in trostlosen und kahlen Räumen verbrachten, wo
sie sich einseitig ernährten, nur weil sie dadurch ein paar Cent sparten. Er
fragte sich aber, was so ein Kostverächter wollte, wenn er plötzlich im
Kaffeehaus vor ihm stand.
»Ein großes Bier, bitte«, bestellte Wittmann freundlich, aber
gebieterisch. Sein gewelltes schwarzes, leicht angegrautes Haar ging fast bis
zu seinen Schultern herab, das lässig aufgeknöpfte weiße Hemd legte einen Teil
seiner stark behaarten Brust frei. An seiner Halskette hatte er ein
respektables Kreuz hängen. »Na, seid ihr seit dem letzten Jahr schon wieder
teurer geworden?«, ätzte er, während ihm Leopold das Bier einschenkte.
»Hättest ja nicht herzukommen brauchen«, grantelte Leopold.
»Kannst ruhig in deine Baracke gehen, das macht mir gar nichts aus.« Wo nur
›Waldi‹ Waldbauer blieb?
»Jetzt hab dich doch nicht so, Leopold. Ein kleiner Scherz,
verstehst du? Ich müsste ja wirklich nicht kommen. Aber wir brauchen jemanden,
der uns hilft, und da haben wir an euch gedacht. Immerhin geht es um unsere
Eintracht, unsere gemeinsame Eintracht.«
»Ach so?« Leopold wurde hellhörig.
»Donnerstag nächste Woche ist doch die alles entscheidende
Generalversammlung, wo über die Zukunft unseres Klubs entschieden wird. Willst
du mit den Kotzbrocken von den Kickers in einem Verein beisammen sein? Nein? Na
also. Dann müssen wir dafür sorgen, dass unter den Mitgliedern der Eintracht
wieder die nötige Eintracht herrscht, gemäß unserem alten Wahlspruch:
›Einträchtig – übermächtig‹. Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten und
neue Perspektiven aufzeigen, damit alle geschlossen gegen eine Fusionierung
sind. Dazu möchten wir morgen eine Besprechung abhalten. Am Sportplatz wäre das
natürlich zu auffällig. Deshalb möchten wir zu euch ins Kaffeehaus kommen.«
»Wenn wir euch nicht zu teuer sind.«
»Leopold, da geht es um keine Preise, da geht’s um
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