Verschwörungsmelange
Ich habe jedenfalls beschlossen, die
nächsten Tage so richtig zu genießen, den Puls, der überall schlägt, in mir
aufzunehmen und mich durch nichts davon abhalten zu lassen. So, und jetzt bring
mir bitte einen großen Braunen.« Korbers Blick wanderte zum rechten
Seitenfenster, wo eine nicht mehr ganz junge, aber rassige Dame mit roter Hose
und einem grün-violett-bunten T-Shirt saß. Die prallen Farben zogen ihn sofort
an. Aber auch andere pralle Dinge waren deutlich zu sehen. Die Dame trug
nämlich keinen BH. Die knusprigen Brustwarzen leuchteten bis zu ihm nach vorn.
Der Sommer war wirklich nicht mehr weit.
Leopold machte sich freilich Sorgen, wenn er solcherart das
gesteigerte Interesse seines Freundes an einer Frau wahrnahm. Egal, welche
Stimmungslage er vortäuschte, Thomas Korber war grundsätzlich auf das andere
Geschlecht aus. Leider waren seine Bemühungen selten von Erfolg gekrönt. Seine
Versuchungen führten ihn nie zu einer, die wirklich zu ihm passte. Deshalb hieß
es jetzt für Leopold, verstärkt aufzupassen. »Es muss ja noch einen Grund geben,
warum du so aufgemascherlt [6] daherkommst«, sagte er.
»Wenn du so willst, ja. Es ist doch jetzt die Woche bis zum
Bezirksderby, und ich habe beschlossen, unsere Eintracht feierlich zu Grabe zu
tragen. Ich werde mir übrigens meine Karte schon im Vorverkauf sichern. Soll
ich dir eine mitnehmen?«
Leopold zuckte nur hilflos und entschuldigend die Achseln.
»Geht leider nicht«, entschuldigte er sich.
»Und warum?«
Leopold deutete mit dem Kopf nach hinten in Richtung der
kleinen Küche, wo Frau Heller gerade ein Paar Würstel ins heiße Wasser legte:
»Wir sperren am Sonntag auf, eben wegen dem Derby. Gerade jetzt kommt sie auf
so eine Idee, wo es den Klub praktisch ohnehin nicht mehr gibt. Es ist zum
Wahnsinnigwerden.«
Frau Heller drehte sich in diesem Augenblick um, sah Korber
und grüßte ihn enthusiastisch: »Sie kommen doch am Sonntag auch nach dem Match,
Herr Professor? Sie müssen den Sieg mit uns feiern. Was glauben Sie, mit
welcher Taktik wir den Gegner in die Knie zwingen werden?«
»Mit gar keiner«, polterte Leopold an seiner Stelle.
»Verlieren werden wir dieses Spiel, weil es eine ausgemachte Sache ist.« Schon
verschwand er mit einem Getränk in die hinteren Bereiche des Lokals.
Korber wollte etwas Höfliches sagen, aber er
blickte stattdessen wieder zum rechten Seitenfenster. Die Dame mit dem bunten
T-Shirt lächelte ihn an. Er lächelte zurück.
»Sie sind doch Professor Korber vom Gymnasium vorne?«, fragte
sie, und als er nickte: »Wollen Sie sich nicht einen Augenblick zu mir setzen?«
Korber nahm Platz. Schon interessierte ihn das Bezirksderby
nicht mehr so brennend. Er saß gegenüber der rassigen Dame, ohne ein Hehl
daraus zu machen, dass sie ihm gefiel.
»Hoffentlich habe ich Sie nicht von Ihrem Gespräch
abgehalten«, sagte sie.
»Ach, es geht nur um Fußball«, beschwichtigte Korber sie.
»Das Thema wird uns wohl in nächster Zeit öfter beschäftigen. Da versäume ich
nicht viel.«
»Na, dann ist es ja gut. Übrigens heiße ich Manuela, Manuela
Stary. Mein Sohn Reinhard hat mir viel von Ihnen erzählt, dass Sie so ein
toller Lehrer sind.«
Korber ließ kurz eine Liste mit den Namen all seiner Schüler
in Gedanken vor sich ablaufen. »Verzeihen Sie, aber ich glaube, ich habe keinen
Schüler namens Stary«, behauptete er dann.
»Das weiß ich. Aber Reinhard hat schon so viel Gutes über Sie
gehört. Es spricht sich eben herum, wenn ein Lehrer seine Schüler motiviert und
fachlich gute Kenntnisse hat. Darum habe ich auch eine Bitte an Sie.«
»Ach so?« Korber horchte auf.
»Reinhard hat das letzte Semester in Englisch total verpatzt.
Er hat bald eine entscheidende Prüfung. Wenn er die nicht schafft, muss er im
Herbst zur Wiederholungsprüfung antreten. Sie wissen, was das heißt: den
Großteil des Sommers über zu lernen, immer mit der Ungewissheit, ob er das Jahr
wiederholen muss. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie ihm nicht bei der
Vorbereitung auf die Prüfung helfen könnten. Geld spielt dabei keine Rolle.«
»Ausgeschlossen«, stieß Korber irritiert hervor. »Ich meine,
das ist sehr schwierig. Im Prinzip dürfen wir Schüler unserer Anstalt nur im
Rahmen eines allgemeinen Förderkonzeptes …«
»So ein Förderkonzept interessiert mich nicht, Herr
Professor«, unterbrach Manuela Stary ihn. »Dafür ist es jetzt doch schon ein
bisschen spät, meinen
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