Verschwörungsmelange
und die Floridsdorfer Kickers tatsächlich Meister
werden. Denn für ein weiteres Jahr in der Landesliga erschienen diese Pläne
selbst einem Mann wie Joe Brown zu hochtrabend. Er blieb freilich Optimist.
»Des werd’n ma scho moch’n«, verkündete er jedem, der es hören wollte.
Während die Kickers euphorisch waren, herrschte bei den
Eintracht-Anhängern schlechte Stimmung. Der eigene Platz sollte nur mehr für
Nachwuchsspiele genutzt werden, in absehbarer Zeit einer Wohnhausanlage oder
einem Schulzentrum weichen. Und ausgerechnet mit den Kickers sollte man den
unseligen Bund eingehen, mit dem Erzfeind, dem Bezirksrivalen. Einen Bund, bei
dem die Eintracht über kurz oder lang wohl ihre Identität verlieren würde.
Blieb überhaupt noch Hoffnung für die Fans der Eintracht?
Nun, zum einen gab es die Chance, dass die Mannschaft am Sonntagvormittag die
Kickers schlug und damit deren hochtrabenden Meisterschaftsplänen praktisch ein
Ende bereitete. Die Eintracht hatte im Frühjahr bisher einen tollen Lauf
hingelegt und war die letzten sieben Spiele ungeschlagen geblieben. Theoretisch
war das Bezirksderby also ein Match, dessen Ausgang man nicht deuten konnte.
Aber wie sah die Wirklichkeit aus? Die fusionswilligen Funktionäre würden die
Eintracht-Spieler wohl mit sanftem Druck zur Passivität anhalten. Und würden
die Spieler selbst sich durch einen Sieg die Chance vermasseln wollen, Teil
eines Großklubs zu werden und mehr zu kassieren? Was wog dagegen schon die alte
Rivalität! Die Buchmacher sahen die Sache nüchtern: Sie hatten die Partie gar
nicht in ihr Wettprogramm aufgenommen. Also konnte man diese Möglichkeit wohl
oder übel vergessen.
Die zweite Chance bestand in der Generalversammlung. Wenn
tatsächlich die meisten Mitglieder so gegen einen Zusammenschluss waren, wie
sie es offen aussprachen, mussten sie ja nur dagegen stimmen, um alles zu Fall
zu bringen. Aber es hatte sich schon bei anderen Vereinen gezeigt, dass der
Vorstand seine Wünsche und Vorstellungen in solchen Versammlungen beinahe immer
durchsetzte. Man würde den Mitgliedern falsche Hoffnungen machen und
andererseits versichern, dass es finanzielle Probleme gäbe, sodass ohne
Fusionierung die Auflösung kurz bevorstünde. Die Fusion würde dann als Licht am
Ende des Tunnels präsentiert werden, als bittere Notwendigkeit einerseits, aber
auch als Schritt in eine bessere Zukunft. Wer konnte da schon widerstehen?
Nein, nein, alles lief auf den geplanten künftigen ›1. FC
Floridsdorf‹ hinaus. Wehmütig wischte Leopold ein paar Gugelhupfbrösel von der
Theke. Wie es aussah, würde das Derby zwischen Eintracht Floridsdorf und den
Floridsdorfer Kickers das letzte Spiel einer Kampfmannschaft auf der
Eintracht-Sportanlage überhaupt sein. Ausgerechnet an diesem Tag hatte es sich
seine Chefin in den Kopf gesetzt, das Kaffeehaus aufzusperren, und er musste
arbeiten, anstatt sich das Match anschauen zu können.
Aber womöglich war es besser so. Vielleicht war es besser für
Leopold, den Untergang seiner Lieblingsmannschaft nicht persönlich mitverfolgen
zu müssen.
*
Gelbes Sakko, weißes Hemd, violette Krawatte.
Ein Anflug von Schnurrbart. Eine Sonnenbrille und ein leichter, modischer Hut.
In diesem Outfit, das ein Selbstbewusstsein und eine Lebensfreude ausstrahlte,
welche er nur selten besaß, betrat Thomas Korber am frühen Nachmittag das Café
Heller.
»Hallo, Leopold«, rief er beiläufig über die Theke, während
er sich eine Zigarette anzündete.
»Hallo, Thomas! Na, wie schaust du denn heute aus?«
»Gefalle ich dir etwa nicht?« Lässig zog Korber eine
Augenbraue in die Höhe.
»Ein bisschen gar bunt, würde ich sagen.«
»Es ist ja auch der schönste Frühling, Leopold, beinahe schon
Sommer. Da spürst du das Leben an jeder Ecke und möchtest einfach ein Teil sein
von dieser Pracht, diesen Farben. Das hält einen jung. Sei mir nicht böse, aber
du wirkst dagegen in deiner Kellnermontur richtig alt.«
Alt! Schon wieder dieses hässliche Wort! Leopold
spürte ein Stechen in der Seite. »Erstens bin ich Ober, lieber Freund«,
protestierte er, »und zweitens ist das keine Montur, sondern ein gediegener,
dunkler Anzug mit Mascherl [4] .
Und aus ›Altausseh‹ [5] bin ich noch lange nicht.«
»War doch nicht so gemeint, Leopold. Das Leben ist einfach
wunderbar um diese Jahreszeit. Wir sollten dabei unsere inneren Gefühle auch
nach außen hin zeigen, verstehst du?
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