Verschwunden
von ihm stammten.
„ Und was ist mit Jeremy?“, fragte sie. „Wieso können Sie ihn nicht dafür einsperren, dass er seinen Sohn schlägt?“
„Er hat auch das geleugnet. Da Jeremy ihn auch nicht belastet, können wir da absolut nichts tun. Vertrauen Sie auf das Jugendamt. Wenn es sich bei Jeremys Verletzungen doch um mehr als um gelegentliche Unfälle handeln sollte, wird die Jugendfürsorge schon etwas unternehmen.“
„ Wann denn? Wenn es zu spät ist und die kleine Seele dieses Jungen total zerstört ist? Warum kann man ihn diesen Leuten nicht einfach wegnehmen und irgendwo unterbringen, wo er es besser hat?“
„Miss Downey, Haley Reed hat sich in unseren Augen als liebevolle Mutter bewiesen. Was Mr. Reed angeht, stimme ich Ihnen vollkommen zu, er scheint ein aggressives Problem zu haben. Aber man kann doch den Jungen nicht einfach seinen Eltern wegnehmen. Sagen Sie mir, hat Jeremy aufgrund der Schwere einer seiner Verletzungen jemals Schulunterricht verpasst?“
Lane musste kurz nachdenken. „Nein, ich denke nicht. Er war im gesamten Halbjahr nur einige Tage wegen angeblicher Grippe nicht da.“
„Da sehen Sie es. Machen Sie aus einer Mücke keinen Elefanten. Darf ich Ihnen einen Rat geben? Lassen sie Jeremy wissen, dass Sie für ihn da sind. Sollte wirklich etwas Schwerwiegendes sein, wird er sich Ihnen anvertrauen. Bis dahin: Konzentrieren Sie sich nicht nur auf einen einzigen Ihrer Schüler, sonst steigern Sie sich da unbeabsichtigt viel zu sehr hinein.“
„Toller Rat, danke“, sagte Lane sarkastisch.
„ Und nun wünsche ich Ihnen schöne Feiertage. Versuchen Sie, ein wenig von der Sache loszukommen. Wenn etwas faul daran sein sollte, werde wir das schon aufdecken.
Und schon wieder fühlte sich Lane, als wäre sie ganz allein auf der Welt, als habe sich der ganze Rest gegen sie verschworen. Es war doch so offensichtlich! Warum wollte es denn keiner sehen?
Und nun standen auch noch die Feiertage vor der Tür. Sie fühlte sich einsamer denn je, und deshalb nahm sie auch Michaels Angebot an, mit ihm bei seiner Familie zu feiern.
***
Am Morgen des Heiligabends fuhren Michael und Lane zusammen in Michaels Mercedes zu seinem Elternhaus in Liberty. Sie hatten eine zweistündige Fahrt vor sich, und obwohl Lane den Gedanken daran, Weihnachten mit Michael zu feiern, komisch fand, war sie doch erleichtert, aus Brooklyn rauszukommen. Vielleicht konnte sie so endlich einmal abschalten.
Die letzten Wochen hatten ihr doch ganz schön zugesetzt, Schlafmangel, Migräne, Angst. Sie freute sich jetzt einfach nur auf ein paar Tage Erholung. So ganz würde sie die Sorge um Jeremy nicht loslassen können, doch mit dem Herzen war sie bei ihm. Dem Verstand musste sie eine Ruhepause gönnen, wenn sie nicht wirklich noch verrückt werden wollte.
Während der Fahrt sprachen sie über dies und das, bis Michael fragte: „Was ist eigentlich aus diesem kleinen Jungen geworden, von dem du mir erzählt hast?“
„Das Jugendamt sagt, es gäbe keinen Grund zur Beunruhigung. Und die Polizei ...“
„Du hast die Polizei eingeschaltet?“, fragte Michael entsetzt.
„ Ja, das musste ich. Der Vater des Jungen hat mir aufgelauert. Er belästigt mich mit anonymen Anrufen und hat mir einen Brief geschrieben, in dem er mir droht. Und neulich ...“
Michael blickte schockiert zur Seite. „Was, Laney?“
„Neulich hat jemand versucht, mich vor die Bahn auf die Gleise zu schubsen.“
Michael fuhr rechts ran, sobald es ging. Dann sah er Lane an wie ein Vater.
„Warum hast du mir von alledem nichts erzählt?“
„Weil mich alle Welt schon für verrückt hält. Ich wollte nicht, dass du das auch noch tust.“
„Das tue ich nicht, Laney. Damit ist nicht zu spaßen. Was sagt die Polizei zu alledem?“
„ Die glauben mir nicht, das Gefühl habe ich zumindest. Sie haben Kyle Reed festgenommen, aber nicht wegen mir, sondern weil er bei der Befragung unpässlich geworden ist. Inzwischen haben sie ihn wieder gehen lassen. Sie können ihm nichts nachweisen. Und inzwischen weiß ich schon selbst nicht mehr, ob ich mir die Hälfte der Dinge nicht nur eingebildet habe.“
„ Oh Gott, das muss schrecklich für dich gewesen sein. Warum bist du denn nicht zu mir gekommen?“
„Weil es nicht mehr so ist wie früher, Michael.“
„Das könnte es aber wieder werden. Ich will für dich da sein, Laney, ich will dich beschützen. Ich will dich wieder lieben dürfen.“
Diese Worte bewirkten etwas bei ihr, sie fühlte, wie ein Kribbeln
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