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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Gefangenschaft befreit und auf den Thron gesetzt wurde, und es gibt einen Diktator, den Kommandanten des Armeekorps von Saloniki, Bassa Mehmed Sefket.«
    Im Mai waren andere feine Themen dazugekommen: Ein echter japanischer Prinz besuchte Budapest, ach, wie interessant! Dann die Geschichte des österreichischen Ministerpräsidenten Bienerth, der im Wiener Parlament Burian, den gemeinsamen Finanzminister, öffentlich angriff. Das waren lauter publikumswirksame, farbige Nachrichten, neben denen der in Sankt Petersburg abgehaltene Panslawistische Kongress ganz bedeutungslos erschien – eine Veranstaltung, an der tschechische, kroatische, slowakische und serbische Delegierte teilnahmen und vom Zaren im Namen des großen russischen Bruders ermunternd begrüßt wurden.
    Auch der Monat Juni hatte gut begonnen. Es kam in Wien wegen der Regierungskrise zu neuen Audienzen. Nachdem sie beim König vorgesprochen hatten, wurden Wekerle und Andrássy auch von Franz Ferdinand empfangen, zum ersten Mal im Leben des Thronfolgers. Über diese Zusammenkunft hatte man allerdings zurückhaltend zu berichten, nur zwischen den Zeilen zu verstehen zu geben, mit welch autoritärer Barschheit die beiden von F.F. behandelt worden waren. Umso stürmischer wurde zu Hause in einer Volksversammlung im Hof des Stadthauses, aber auch in der Provinz die unabhängige Nationalbank gefordert. Im geschäftsführenden Ausschuss der Unabhängigkeitspartei gerieten Kossuth und Justh zornig aneinander, und es bedurfte dreitägiger Verhandlungen, damit sie sich zumindest scheinbar versöhnten. All das war gut und spannend. Und jetzt schlug die Bombe ein. László Lukács, der einstige Finanzminister der Regierung Tisza, kam in königlichem Auftrag nach Pest. Hinter Wekerles und Kossuths Rücken führte er geheime Verhandlungen einzig mit Gyula Justh. Erst nachdem sich die Nachricht von der Natur seiner Mission verbreitet hatte, besuchte er Kossuth, sonst aber keinen Vertreter der Koalition. Unter allen Ereignissen galt dies als die größte Sensation.

    Auch vor dem Nationalcasino kauften viele Leute Zeitungen, unter ihnen Bálint. Er überflog die Nachrichten bereits im Treppenhaus. Dann warf er das Blatt unten fort und stieg gleichmütig in den ersten Stock hinauf.
    Oben fand er zahllose zornige Politiker vor. Die meisten gehörten der Verfassungs- und der Volkspartei an. Auch einige Anhänger Apponyis waren da, was so viel bedeutete, dass sie innerhalb der Koalition alle in Justh ihren Hauptfeind sahen. Gruppen hatten sich gebildet, Anführer erläuterten aufgeregt den Herumstehenden die Lage. Nicht anders ging es auf der Glasterrasse der Gaststätte zu, wohin sich Abády nun hinausbegab.
    An den Tischen wurde allein dieses eine Ereignis abgehandelt. Am grimmigsten gab sich der sonst friedfertige Papa Lubiánszky, der eben vor dem Rücktritt der Regierung davor gestanden war, den Grafentitel zu erhalten. Das hatte sich nun in Rauch aufgelöst. Dabei hätte es den Töchtern doch so gutgetan, sich in Comtessen zu verwandeln! Es wäre vermutlich einfacher gewesen, sie zu verheiraten. Auch den Söhnen fiele es leichter, eine reiche Partie zu finden. Und besser ist es allemal, per »hochwohlgeboren« nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch von Rechts wegen tituliert zu werden.
    Viel lauter als er ließ sich aber Frédi Wuelffenstein vernehmen. Er setzte verfassungsrechtliche Prinzipien auseinander, eherne Regeln, die, wie er meinte, für einen Gentleman die einzig gültigen seien.
    »Kein Ehrenmann handelt so wie dieser Lukács«, verkündet er schallend. »Die Führer der Koalition übergehen und hinter dem Rücken der Regierung Justh aufsuchen, einen solchen Hitzkopf und Demagogen, was soll das? Bestimmt beabsichtigt man in Wien wieder, das Wahlrecht gegen die militärpolitischen Anliegen auszuspielen, so wie zur Zeit Kristóffys und seiner Leute. Justh will die nationalen Forderungen, die Degenquaste und die Regimentssprache schmählich fallenlassen. Mein ungarisches Blut kocht, wenn ich das mit ansehen muss!«, rief Wuelffenstein, und er trocknete sich die Stirn, auf der Schweiß perlte.
    Antal Szent-Györgyi, der am gleichen Tisch mit kühler Ruhe seinem Gabelfrühstück zusprach, wandte sich nun mit frostigem Spott an Frédi: »Das ursprüngliche Programm der Verfassungspartei hat diese militärpolitischen Wünsche auch schon enthalten, nicht wahr?«
    Wuelffenstein ging in die Falle. Er bemerkte nicht, dass Szent-Györgyi ihn verspottete.
    »Ach nein,

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