Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
keineswegs! Wir haben diesen Punkten vor der Wahl nur um der 48-er willen zugestimmt.«
    Er gab eine sehr höfliche Antwort in der Hoffnung, der Schlossherr von Jablánka würde ihn vielleicht zu seiner vorzüglichen Jagd einladen.
    Dann setzte er seine Erläuterungen fort: »Es wäre aber nicht ehrenhaft, wenn wir jetzt auf diesen Forderungen nicht mit allem Nachdruck bestünden. Die Leute von der Unabhängigkeitspartei, Kossuth und erst recht Justh, sprechen hierüber überhaupt nicht mehr, ihnen geht es nur noch um die unabhängige Bank. Wir aber müssen durchhalten. Am Ende muss sich doch ein Ehrenmann an das halten, was er einmal ausgesprochen hat.«
    Die Regierungskrise hatte tatsächlich zu dieser überraschenden Wendung geführt. Der größte Teil der 48-er-Partei interessierte sich nicht mehr für die militärpolitischen Zugeständnisse, während solche 67-er wie Wekerle und Andrássy gerade auf diese Konzessionen pochten und sonst auf nichts. Sie suchten diese Lösung zweifellos wegen der unabhängigen Bank und wegen des eigenen Zollgebiets, denn sie hielten die wirtschaftliche Abspaltung für schädlich, sie hätten also der Nation lieber auf militärischem Gebiet ein Geschenk dargebracht. Darin steckte viel Logik, doch der Platzwechsel zwischen den 67-ern und den 48-ern wirkte seltsam. Trotzdem blieb die Situation während der viele Monate dauernden Krise unverändert; die zwei Verbündeten behinderten einander wechselseitig, wozu die 67-er die nationale Reform der Armee und die 48-er die unabhängige Bank benutzten. Dass sie sich untereinander bekriegten, änderte nichts an der Lage, da doch der König weder den einen noch den anderen Wunsch akzeptierte. Das einzige Resultat bestand in der langen Agonie, die dem endgültigen Sturz des Koalitionssystems voranging, geraume Zeit die Staatsführung lähmte und das ohnehin erschütterte Ansehen der Monarchie noch weiter untergrub.
    Späte Ankömmlinge im Nationalcasino verbreiteten neue Nachrichten, Einzelheiten über die Lösungsgrundlage, die Lukács befürwortete.
    Farkas Alvinczy, bisher im Casino eine ziemlich graue Figur, zog jetzt für eine Viertelstunde die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, da unter den Anwesenden er allein zum Kreis um Kossuth gehörte, von wo er authentische Neuigkeiten mitgebracht hatte.
    Lukács’ Vorschlag sehe vor, eine einzig von der Unabhängigkeitspartei gestützte Regierung zu bilden, deren erste und einzige Aufgabe darin bestehe, das allgemeine Wahlrecht einzuführen; das Amt des Ministerpräsidenten, ferner die Portefeuilles für Inneres und für Finanzen sollten 67-er, doch gegenwärtig keiner Partei zugehörige Politiker übernehmen. Damit konnten die ehemaligen Liberalen gemeint sein, womöglich aber auch die Trabanten, das heißt Kristóffy oder László Vörös.
    »Justh hat dieses Programm anscheinend akzeptiert, von Kossuth jedoch ist es heute Vormittag zurückgewiesen worden. Das hat er mir selber gesagt.«
    Farkas Alvinczy machte diese Mitteilungen in selbstbewusstem Ton. Er war offensichtlich sehr stolz, als Überbringer einer so wichtigen Nachricht eine Rolle erlangt zu haben, denn bisher hatte ihn kaum jemand zur Kenntnis genommen, obwohl er schon seit drei Jahren Mitglied und ein schöner, großgewachsener Mann war, der manchmal – wenn auch nicht so verwegen leichtsinnig wie einst Gyerőffy – auch Karten spielte. Neuen Fragenden erzählte er dasselbe immer wieder und stets mit den genau gleichen Ausdrücken, wie dies Leute zu tun pflegen, denen ein beschränkter Wortschatz, aber viel Anstand zu eigen ist.
    Die Nachricht hatte beträchtliche Aufregung zur Folge. Nur zwei Männer nahmen sie gleichmütig auf: Antal Szent-Györgyi und Bálint Abády. Szent-Györgyi mochte den Plan dank seinen Verbindungen zum Hof schon gekannt haben, und er stimmte ohnehin grundsätzlich allen Handlungen des greisen Herrschers zu. Abádys Gedanken wiederum kreisten zu der Zeit um eine einzige Frage: um Adriennes Scheidung. Er hatte einige Wochen zuvor den Brief bekommen, in dem Adrienne ihn wissen ließ, dass ihre kleine Tochter endlich wieder zu Hause war. Dann kam ein neuer Brief, der vom Besuch bei Absolon berichtete und von der Einschaltung des sächsischen Arztes. Bálint verstand zwar nicht, wozu man diesen Arzt brauchte, die Verzögerung ärgerte ihn sogar ein wenig, aber noch fasste er sich in Geduld. Anderes kümmerte ihn indessen kaum mehr, in Gedanken war er einzig bei Adrienne in Siebenbürgen, wo sich ihr

Weitere Kostenlose Bücher