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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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gemeinsames Schicksal demnächst entscheiden sollte.
    Gleichgültig nahm er also die politischen Nachrichten zur Kenntnis und ebenso Szent-Györgyis Einladung – eigentlich eine bemerkenswerte Auszeichnung –, mit ihm zusammen im Auto nach Alag zu fahren, wo gleichen Tags das Große Hindernisrennen stattfand. Eines von Szent-Györgyis jungen Pferden galt als Favorit. Nun gut, es spielte keine Rolle, wo er sich befand, was er hörte oder sah, alles war vollkommen gleichgültig außer der wichtigen Frage, wann sich Adrienne endlich von ihrem Mann würde befreien können. Alles, alles andere sonst erschien ihm ganz und gar bedeutungslos. Dabei lachten ihm im Auto unten auf der Straße zwei Mädchen entgegen: Magda, seine Cousine, und die kleine Lili Illésváry, ein sehr liebes und kluges Wesen.
    Im Dezember auf der Jagd in Jablánka hatten sie sich recht viel unterhalten. Dies wiederholte sich später, in der Faschingszeit, wenn es ihn in einen der größeren Bälle verschlug. Lili stand – nur so aus Zufall – am Buffettisch oder im Tanzsaal oft neben ihm. Gelegentlich tanzten sie auch zusammen Walzer. Einmal in der Frühlingssaison musste er sie zu einem Kotillon auffordern, denn Lili hatte ihm flüsternd die schreckliche Schande gestanden, dass sich für sie kein Tänzer gefunden habe. All das hatte sich wie von selbst ergeben. Bálint, in seinen Männergedanken ausschließlich mit seiner Liebe beschäftigt, nahm andere Frauen um sich gar nicht wahr. Dass er sich mit Lili mehr unterhielt als mit anderen und dies gern tat, geschah einzig darum, weil sich das Mädchen bei ihm eben einfand und weil die Konversation mit ihr angenehm erfrischend und beruhigend war – wie eine eisgekühlte Orangeade.
    So kam es auch heute. Nur wenige Damen hatten sich nach Alag begeben, zumeist sportliche, die Bálint größtenteils kaum kannte. Die meiste Zeit an diesem Nachmittag verbrachte er also in der Gesellschaft der zwei Mädchen.

    Bei der Rückkehr fragten sie ihn, ob er mit ihnen nachtmahlen wolle. »Wir sind am Abend im Park-Club«, sagte jemand – vielleicht eben Lili. Er hatte keinen Grund, die Einladung zurückzuweisen, er fuhr also zur abgemachten Stunde hinaus. Draußen waren nur wenige Gäste, einige junge Leute auf der Durchreise und die Lubiánszky-Schwestern mit ihrem Papa.
    László Lukács saß mit seiner berühmt schönen Frau an einem etwas entfernten Tisch beim Abendessen. Sie hatten noch einen Herrn bei sich. Er wandte zwar den Ankömmlingen den Rücken zu, aber Bálint erkannte ihn dennoch: Graf Slawata, der Vertrauensmann des Thronfolgers. Ob sie wohl deshalb so weit draußen, von den Bogenlampen kaum mehr beleuchtet, Platz genommen hatten? Ob es eine Verbindung zwischen Lukács und dem Belvedere gab und der »Homo regius« über seine Mission Bericht erstattete?
    Bálint wünschte nicht, jetzt mit Slawata zusammenzutreffen. Ihn gelüstete es nicht nach einer langwierigen politischen Unterhaltung. Als jemand nach der Mahlzeit vorschlug, zu Grammofonmusik zu tanzen, das kleine Illésváry-Mädchen aber gleich einwarf, dass es dazu viel zu warm sei und dass man lieber ein Gesellschaftsspiel spielen solle, hielt Bálint folglich mit. Teils fühlte er sich ganz willenlos, teils fürchtete er die Langeweile, sollte er den politischen Klagen des alten Lubiánszky zuhören müssen, und darüber hinaus ergab sich so eine Möglichkeit, vor Slawata zu flüchten.
    Sie begaben sich ins Innere des Hauses. Im kühlen Salon ließen sie sich an einem langen Tisch nieder. »Spielen wir ›Jenkins‹!« Auch dieser Vorschlag kam von Lili.
    Beim »Jenkins« bilden sich zwei Parteien. In gleicher Zahl sitzen sie auf den beiden Seiten des Tisches einander gegenüber. Die zwei Lager haben je einen Anführer, dem der Platz in der Mitte zusteht. Nun übernimmt einer der beiden einen kleinen Gegenstand, einen Ring oder eine Münze – dies ist der »Jenkins« –, er hält ihn hoch und zeigt ihn. Dies heißt »Jenkins up!« Dann folgt das »Jenkins down!«, worauf er den Gegenstand unter der Tischdecke jemandem in seiner Partei zusteckt. Dies geht natürlich so vor sich, dass die Gegenpartei nicht wissen soll, bei wem der »Jenkins« landet. Hierauf ertönt der dritte Befehl des Anführers der Gegenpartei: »Jenkins on the table!« Hierauf haben alle die flache Hand auf den Tisch zu legen. Spielen lässt sich dies natürlich nur auf einem stoffbezogenen Tisch, auf dem der kleine Gegenstand nicht klappernd aufschlägt.
    Jetzt ist

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